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TURNERS Thesen: Die Ausbildung nicht aushöhlen

Mit schöner Regelmäßigkeit ist zu hören, dass Deutschland zu wenig Akademiker schaffe. Der Anteil derjenigen, die die Hochschulreife erwerben, müsse pro Jahrgang über 50 Prozent gesteigert werden.

Mit schöner Regelmäßigkeit ist zu hören, dass Deutschland zu wenig Akademiker schaffe. Der Anteil derjenigen, die die Hochschulreife erwerben, müsse pro Jahrgang über 50 Prozent gesteigert werden. Das Ausland habe die Nase vorn. Dazu passt die Forderung des Aktionsrats Bildung, eines Expertengremiums von Bildungswissenschaftlern, bis zum Jahr 2020 soll an jeder Kindertagesstätte mindestens eine Fachkraft mit einem Studium der Pädagogik der frühen Kindheit tätig sein. Ähnliche Forderungen gibt es für die Gesundheitsberufe. Es fehlt auch nicht an Hinweisen, in anderen Ländern setze etwa der Beruf des Optikers ein Studium voraus, stets mit der Aussage verbunden, Deutschland sei rückständig und verpasse den Anschluss.

Es ist gewiss richtig und notwendig, zu überdenken, ob die Ausbildung für bestimmte Berufe noch den veränderten Anforderungen entspricht. Für den Bereich der frühkindlichen Erziehung muss die Ausbildung den gewandelten Anforderungen angepasst werden – unter anderem wegen der Kinder ohne hinreichende Deutschkenntnisse. Ob das Heil immer in einem Studium liegt, ist offen.

Überall da, wo die Zusammenhänge komplizierter geworden sind, wo insbesondere naturwissenschaftlich-technische Grundlagenkenntnisse erforderlich sind, spricht dies für eine Ausbildung auf dem Level einer Fachhochschule. Von ihrem ursprünglichen Auftrag sind sie für eine berufsorientierte, praxisnahe Ausbildung besser geeignet als Universitäten.

Allerdings sollte man sich hüten, die bisher erfolgreiche berufliche Ausbildung auszuhöhlen, indem für immer mehr Berufe eine Hochschulausbildung vorausgesetzt wird. Die Hereinnahme entsprechender Elemente in die duale Ausbildung, wie es bereits in immer größerem Maße geschieht, ist ein ebenso gangbarer Weg. Es muss nicht jedes Fach studiert werden.

Je mehr Hochschulen zu Einrichtungen werden, die vor allem der Berufsvorbereitung dienen und damit zur „Berufsschule“ werden, verändern sie ihren Charakter. Ob das dann immer eine akademische Ausbildung ist, nur weil sie an einer Einrichtung des höheren Bildungswesens stattfindet, mag dahinstehen. Eine bloße Akademisierung aber, um damit die Quote den Verhältnissen im Ausland anzupassen, ist reine Kosmetik.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schicken: g.turner@tagesspiegel.de

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