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TURNERS Thesen: Hoch, höher – Hochschulen

Wo bleiben die jungen Menschen, die nicht den Zugang zu den "Hochschulen" schaffen? Welche Perspektiven haben Realschüler, denen früher – nach dem Absolvieren einer Lehre – der Besuch einer Ingenieurschule offen stand?

Wie auch an einigen anderen Orten heißen die Berliner Fachhochschulen in Zukunft „Hochschulen“. Dies trägt der Tendenz Rechnung, dass die früheren Ingenieurschulen und andere Einrichtungen auf entsprechendem Niveau zunächst zu Fachhochschulen erklärt wurden und nunmehr das als Einschränkung empfundene „Fach“ ablegen wollen. Schon seit geraumer Zeit nennen sie sich „Universities of Applied Sciences“.

Die Entwicklung entspricht dem Streben, sich möglichst den Universitäten anzunähern. Mittelbare Unterstützung erhält dieser Trend durch den Exzellenzwettbewerb der Universitäten und die Ausrufung sogenannter Eliteuniversitäten. Dies wird zu einer zum Teil ungerechtfertigten Differenzierung der Universitäten führen - die einen werden hochgejubelt, die anderen zu mehr oder weniger bloßen Lehranstalten „downgegradet“. Die Fachhochschulen werden die Gewinner sein, weil die Politik ihrem Bestreben nach „upgrading“ nachkommt.

Wo aber bleiben die jungen Menschen, die nicht den Zugang zu den „Hochschulen“ schaffen? Welche Perspektiven haben Realschüler, denen früher – nach dem Absolvieren einer Lehre – der Besuch einer Ingenieurschule offen stand? Zwar hat es eine Verschiebung derart gegeben, dass der Anteil der Abiturienten erheblich zugenommen hat; mehr als 60 Prozent der Schulabsolventen aber fallen nicht darunter. Voraussetzung für die Zulassung an Fachhochschulen ist grundsätzlich die Hochschulreife. Zwar gibt es Ausnahmen. Keineswegs aber öffnen sich diese Institutionen so großzügig, wie es die von politischer Seite vollmundig verkündeten Absichten vermuten ließen: dass nämlich der Zugang auch und nicht zuletzt für Berufstätige ohne Hochschulreife möglich sein sollte. Unter anderem wolle man so dem als dramatisch empfundenen Nachwuchsmangel vor allem in Ingenieurberufen begegnen.

Es sind also zwei Tendenzen zu beobachten: zum einen das Streben nach jedenfalls formal immer höherwertigen Zertifikaten – Bachelor und Master werden sowohl von Universitäten als auch von (Fach-) Hochschulen erteilt – und zum anderen eine Abschottung „nach unten“. Diesen Bereich kann man als Quelle für Aufsteiger bezeichnen; aus ihm rekrutiert sich das, was gerne als typischer Mittelstand charakterisiert wird. Über ihn wird ständig geredet, ihn gilt es nicht zu vernachlässigen. In der Bildungspolitik findet er weitgehend nicht statt.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-mail schicken: g.turner@tagesspiegel.de

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