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George Turner war Berliner Wissenschaftssenator, Präsident der Universität Hohenheim und Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz - und ist Kolumnist des Tagesspiegels.

© Mike Wolff

Turners Thesen: Jeder Professor wirkt als Ich-AG

Professoren identifizieren sich nur wenig mit einer Hochschule. Kein Wunder, meint unser Kolumnist George Turner, Berlins Wissenschafssenator a.D.

Von manchen, die besonders fortschrittlich erscheinen möchten, wird als Wunschbild die „unternehmerische Universität“ propagiert. Vordergründig ist damit gemeint die Übernahme von Managementinstrumenten, die in der Wirtschaft üblich sind. Richtig ist, dass auch Universitäten die in der Wirtschaft entwickelten und anerkannten Regeln des ökonomischen Handelns anwenden sollten. Falsch ist es, anzunehmen, dass Universitäten so wie Wirtschaftsbetriebe geführt werden können. Die Aufgaben sind unterschiedlich: hier unter anderem die Orientierung an Gewinnmaximierung, dort das Erreichen bestmöglicher Ergebnisse in Forschung und Lehre.

Unternehmen müssen so wirtschaften, dass sie sich selbst tragen, sonst gehen sie in die Insolvenz. Universitäten werden durch den Staat alimentiert, Pleite gehen sie nicht. Private Universitäten haben, soweit ersichtlich, den Begriff „unternehmerische Universität“ nicht für sich reklamiert; soweit staatliche es tun, dürfte es wohl reichlich vollmundig sein.

Viel gravierender als die Fakten von Finanzierung und unterschiedlicher Zielsetzung ist im Bereich der „weichen Faktoren“, dass Universitäten selten eine corporate identity entwickeln (können). Es fehlt regelmäßig an der Identität, die durch eine Strategie des Handelns vermittelt wird, die dann ein einheitliches Ganzes mit einer entsprechenden Wahrnehmung mit einem speziellen Charakter ergibt.

Vielmehr wirken Universitäten eher wie die Ansammlung von Ich-AGs der einzelnen Professoren. Wundern darf man sich darüber nicht, ist doch entscheidend für den Erfolg des Wissenschaftlers seine individuelle Leistung und die darauf beruhende Reputation. Wenn dies in einer Institution erfolgt, die solches ermöglicht und fördert, sind das gute Voraussetzungen.

Diese allein aber genügen nicht, um Wissenschaftler zu Spitzenkräften zu machen. Das aber muss das Ziel eines jeden sein: in seinem Fach zu den führenden Köpfen zu gehören. Dazu kann ein positives Klima in einer Universität beitragen. Die Leistung aber hängt letztlich von dem Einzelnen ab. Folglich muss das Bemühen darauf gerichtet sein, als Experte auf sich aufmerksam zu machen und Ansehen zu erwerben. Das muss nicht so weit gehen, wie ein Spötter einmal gesagt hat, dass „vormittags jeder für sich arbeitet und nachmittags jeder gegen jeden“. Aber auch bei kollegialem und sogar kooperativem Zusammenwirken ist die Arbeit des Einzelnen entscheidend. Und diese findet individualisiert statt, selbst wenn dies im Team geschieht.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail senden: george.turner@t-online.de

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