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Turners Thesen: Kunst und Musik gehören dazu

Die private Lebenswelt der Schüler darf nicht vernachlässigt werden.

Oft hört man, dass in der Schule dies oder jenes Fach zusätzlich angeboten werden müsse, weil sonst keine angemessene Vorbereitung „auf das Leben“ gegeben sei. In dem Zusammenhang wird regelmäßig beklagt, dass es an Kenntnissen wirtschaftlicher Zusammenhänge fehle. Bei aller Notwendigkeit, auf die Herausforderungen der künftigen Arbeitswelt vorbereitet zu sein, darf aber nicht verkannt werden, dass dies nicht zulasten solcher Fächer geschehen darf, die ebenfalls eine Vorbereitung sind, und zwar auf die spätere private Lebenswelt der Schüler. Dazu gehören Kunst und Musik. Sicher genügt es nicht, nur im Stundenplan solche Fächer vorzusehen; sie müssen auch ausreichend mit Lehrkräften versorgt werden.

Und es kommt noch ein anderer Aspekt hinzu. Sofern ein gemeinsames Stundenkontingent vorgesehen ist, soll damit zwar Flexibilität und Eigenverantwortung der Schulen befördert werden; dies könnte aber einen zunehmenden Rückgang vor allem im Fach Musik zur Folge haben, insbesondere wenn die Schüler die Wahl zwischen beiden Fächern haben. Abgesehen davon, dass Schüler so die Möglichkeit verspielen, einen eigenen Zugang zu dem Fach zu finden, kann dies auch zu erheblichen Veränderungen für das kulturelle Leben Berlins führen. Beide Bereiche sind eigenständig und sollten nicht alternativ gesehen werden.

Bildungsziel in der Schule ist die Befähigung zur „Kulturellen Teilhabe“. Das kann aber nicht auf einen Sektor des kulturellen Lebens konzentriert werden. Zwar bleibt es jedem Menschen überlassen, ob und wo er einen Schwerpunkt seiner Interessen findet und bildet. Dies sollte aber nicht bereits durch die Entscheidung durch die Schule geschehen, ohne dass die Beschäftigung über längere Zeit erfolgte und Interesse und Neigung haben überprüft werden können.

Wenn berichtet wird, dass Besucher von Open-Air-Übertragungen von Opernaufführungen noch nie ein Opernhaus von innen gesehen haben, macht das schon nachdenklich. Nun kann man sagen, dass sie immerhin bei der Freilichtveranstaltung dabei waren. Aber alles Gerede von der Ausschöpfung der Reserven in bisher bildungsfernen Schichten wirkt halbherzig, wenn damit nicht auch eine Heranführung an Kunst u n d Musik geschieht. Sonst bekommen wir vielleicht noch mehr Studierende, die aber mit immer weniger ausgestattet sind, was man unter Bildung begreift.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schicken: g.turner@tagesspiegel.de

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