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TURNERS Thesen: Mehr Sorgfalt für den Doktor

Der Dr.-Titel ist nach der Affäre um die Dissertation des früheren Verteidigungsministers zu Guttenberg nicht mehr das, was er einmal war.

Der Dr.-Titel ist nach der Affäre um die Dissertation des früheren Verteidigungsministers zu Guttenberg nicht mehr das, was er einmal war. Man kann darauf warten, wessen Dissertation als nächste gegoogelt wird. Und ebenso sicher ist, dass vor allem bei geisteswissenschaftlichen Arbeiten „etwas zu finden“ sein wird.

Das hängt mit der Arbeitsweise zusammen. In Promotionen auf technischem oder naturwissenschaftlichem Gebiet wird experimentell gearbeitet. Das Ziel ist die Entdeckung von etwas Neuem. In diesen Bereichen sind Promotionen ein Beitrag zur Erweiterung von Erkenntnis. Doktoranden sind hier ein wesentlicher Bestandteil der Institute; ohne sie könnten manche Aufgaben gar nicht angepackt, geschweige denn erledigt werden. Deshalb sind sie in der Regel wenigstens auf Teilstellen beschäftigt und arbeiten ständig auch in den Räumlichkeiten der wissenschaftlichen Einrichtungen.

Die Aufgabe einer Dissertation in den Geisteswissenschaften besteht zunächst einmal darin, zusammenzutragen, was es zu dem betreffenden Thema bereits an Veröffentlichungen gibt, dies zu sortieren und zu werten und – wenn es die Fragestellung hergibt – daraus Schlüsse zu ziehen oder Gedanken zu extrapolieren. Das bedeutet, dass der Behandlung dessen, was bereits vorliegt, besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist. Dabei ist vor allem darauf zu achten, dass erkennbar ist, was aus fremder Feder stammt. Nachlässigkeit führt leicht zum Vorwurf des Plagiats.

„Nach Guttenberg“ wird mit Sicherheit seitens der Betroffenen, nämlich der Doktoranden, aber auch der „betreuenden“ Professoren mehr Sorgfalt bei der Erstellung und Beurteilung der Texte aufgewendet werden. Es werden aber auch weitere Effekte eintreten: Manche Professoren werden sich mehr als bisher überlegen, ob und wem sie Themen zur Bearbeitung überlassen. Die vor allem auf Effizienz bedachte Wissenschaftsadministration wird erkennen, dass nicht nur die Quantität ein Maßstab für Leistung ist. Aspiranten auf einen Dr.-Titel aus Prestigegründen werden begreifen, dass die Sitten härter geworden sind, „neben dem Beruf“ zu promovieren. Und die Politik wird – hoffentlich – einsehen, dass es ein Holzweg ist, womöglich den Fachhochschulen ein eigenständiges Promotionsrecht einzuräumen. Alles doch ganz wichtige Erkenntnisse. Guttenberg sei Dank.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schreiben: g.turner@tagesspiegel.de

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