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TURNERS Thesen: Mehr Studierende brauchen wir nicht

Die Zulassung zum Studium ohne Abitur ist nicht sinnvoll, sagt George Turner, Wissenschaftssenator a. D.

Mit schöner Regelmäßigkeit rüffelt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die Bundesrepublik wegen einer angeblich nicht genügend hohen Quote von Studierenden und Hochschulabsolventen. Und immer wieder fallen deutsche Politiker darauf rein, indem sie fordern, statt bisher etwas mehr als 35 Prozent müssten mindestens 40 Prozent der relevanten Altersgruppe studieren. Als Argument wird der Vergleich mit anderen Nationen bemüht. Es ist zwar richtig, dass der Anteil der Studierenden pro Jahrgang andernorts zum Teil höher ist als bei uns. Die in Bezug genommenen Länder haben in der Regel aber ein anderes Bildungssystem, bei dem es keine duale Ausbildung gibt. So erhalten Krankenschwestern und Kräfte, die später in der vorschulischen Erziehung eingesetzt werden, dort eine Hochschulausbildung. Nun kann man auch bei uns fordern, die entsprechenden Berufe zu akademisieren. Würde das umgesetzt, machten wir einen gewaltigen Sprung bei der Quote der Studierenden.

Es trifft zu, dass in bildungsfernen Schichten und bei Familien mit Migrationshintergrund noch Potential schlummert. Dies zu aktivieren ist im Interesse der Betroffenen, aber auch geboten, um zukünftig über genügend Fachkräfte zu verfügen. Ob aber eine Zulassung ohne Abitur, wie manche es fordern, der richtige Weg ist, erscheint mindestens zweifelhaft – vor allem, wenn auf diese Weise Benachteiligungen wegen der Herkunft ausgeglichen werden sollen. So würden die Hochschulen wieder einmal zum Reparaturbetrieb für Fehler in anderen gesellschaftlichen Bereichen missbraucht.

Die Forderung, Zahl und Quote der Studierenden zu steigern, belegt die ideologische Sichtweise vor allem des Leiters der Abteilung Indikatoren und Analysen im Direktorat Bildung der OECD, Andreas Schleicher. Das Ziel ist eine weitgehende Akademisierung mit 60 bis 70 Prozent Hochschulabsolventen. Zunächst sollen die Schleusen für die bestehenden Studiengänge geöffnet werden. Dann stellt man fest, dass im Ausland bestimmte Ausbildungen im Hochschulbereich stattfinden, was hierzulande noch nicht der Fall ist. Die Forderung liegt auf der Hand: Deutschland muss endlich nachziehen.

Wann endlich stoppt die Kultusministerkonferenz Schleicher & Co. und relativiert das Zahlen- und Machwerk der OECD-Bürokraten?

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-mail schicken: g.turner@tagesspiegel.de

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