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Kolumnist George Turner.

© Mike Wolff

TURNERS Thesen: Nicht alle müssen studieren

Die Kultusministerkonferenz hat errechnet, dass die Studienanfängerzahlen erst später als bisher (2015) erwartet rückläufig sein werden, nämlich erst ab 2019. Gründe sind doppelte Abiturientenjahrgänge, Wegfall des Wehrdienstes und eine steigende Tendenz, ein Studium aufzunehmen.

Die Kultusministerkonferenz hat errechnet, dass die Studienanfängerzahlen erst später als bisher (2015) erwartet rückläufig sein werden, nämlich erst ab 2019. Gründe sind doppelte Abiturientenjahrgänge, Wegfall des Wehrdienstes und eine steigende Tendenz, ein Studium aufzunehmen. Bei aller Vorsicht hinsichtlich solcher Prognosen spricht alles dafür, dass die Tendenz der neuesten Aussage zutrifft. Die Verfechter einer Zielzahl von 50 Prozent und mehr Studierenden eines Jahrgangs und einer bedingungslosen Akademisierung von immer mehr Berufen sehen sich bestätigt. Auch diejenigen, die ständig betonen, es werde in Deutschland immer mehr an Fachkräften fehlen, mögen die denkbare Entwicklung mit Zustimmung sehen.

Allerdings wird der Blick dabei sehr eng auf Fachkräfte mit akademischem Abschluss gerichtet. Ist es aber in jedem Einzelfall vernünftig, den eingefahrenen Weg: Abitur – Studium einzuschlagen? Nach allen Einschätzungen besteht ein Bedarf in naturwissenschaftlich-technischen Berufen. Ob es womöglich in manchen geisteswissenschaftlichen, besonders sozialwissenschaftlichen Bereichen anders aussieht, ist offen. Die Sorge um einen Fachkräftemangel darf nicht allein auf Berufe gerichtet werden, die ein Studium voraussetzen. Eine funktionierende Wirtschaft setzt die Besetzung von Positionen mit Fachkräften auf allen Ebenen voraus. Es nützt nichts, wenn die Bewerber mit Diplom- oder Master-Examen vor Ingenieurbüros Schlange stehen und für den Bau kein Polier zu finden ist.

Gewiss ist es riskant, die Entscheidung für die Berufswahl von der Situation auf dem Arbeitsmarkt abhängig zu machen. Die kann sich bis zum Abschluss ändern. Ebenso ungewiss sind Vorhersagen, wie sich der Arbeitsmarkt entwickeln wird. Dem (Aus-)Bildungsstreben junger Menschen sollte nicht durch drohende Szenarien entgegengewirkt werden. Aber es sollten sich Abiturienten doch gut überlegen, ob sie für ein Studium die Voraussetzungen mitbringen.

Das Gleiche gilt für die Entscheidung, ob das Studium unmittelbar nach dem Schulabschluss aufgenommen wird. Eine Ausbildung im dualen System hat mehrere Vorteile: zum einen lernt man die Praxis kennen und verfügt mit dem Abschluss über ein Zertifikat. Zum anderen kann dies der Einstieg in eine Karriere sein, für die ein Studium nicht erforderlich ist – siehe Fachkräfte auf allen Ebenen.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schicken:

g.turner@tagesspiegel.de

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