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Im Training. Sport und Ernährungsschulung helfen bei zu vielen Pfunden.

© p-a/dpa

Übergewicht: Zu viele Pfunde können den Geist träge machen

Übergewichtige Kinder schneiden bei Mathe-Leistungstests eher schlechter ab als Normalgewichtige. Mehr Sport, zum Beispiel in den Schulalltag integriert, könnte so manchen Denkprozess fördern.

Könnte es sein, dass Kinder nur deswegen schlecht in Mathematik sind, weil sie nicht gerade zu den Schlanksten gehören? Darauf deutet eine Studie deutscher Wissenschaftler hin. Danach verfügen Kinder, die zu viele Pfunde auf die Waage bringen, häufig über ein ziemlich schwach entwickeltes räumliches Vorstellungsvermögen. Das hat zur Folge, dass sie Objekte nur mit Mühe in Gedanken drehen können. Über ihre Ergebnisse berichten die Sportwissenschaftlerin Petra Jansen von der Universität Regensburg und ihr Team in der Fachzeitschrift „Appetite“ (Nr. 56, Seite 766).

Die Forscher haben 16 übergewichtige und 16 normalgewichtige Kinder im Durchschnittsalter von zehn Jahren eine Reihe von Tests absolvieren lassen, in denen es um die allgemeine Intelligenz, elementare motorische Fähigkeiten und das räumliche Vorstellungsvermögen ging.

Im CPM-Intelligenztest, der Analogieschluss-Denken, das Erkennen von Regeln und das Anwenden von Prinzipien misst, erwiesen sich beide Gruppen als ebenbürtig. Im Dordel-Koch-Test hingegen hatten die übergewichtigen Kinder keine Chance und wurden von den Schlanken an Geschicklichkeit, Gelenkigkeit, Kraft und Ausdauer übertroffen. Allein in der Flexibilität zeigte sich kein Unterschied. Umso überraschender war, wie der mentale Rotationstest ausging.

Hierbei wurden den Versuchspersonen auf dem Computer-Bildschirm Paare überdimensionaler Buchstaben präsentiert, wobei der eine im Verhältnis zum anderen um 30 Grad, 90 Grad oder 150 Grad gedreht war. Die Versuchspersonen hatten die Aufgabe, schnell zu entscheiden, ob der rechte Buchstabe jeweils mit dem linken identisch oder sein spiegelverkehrtes Gegenstück war.

Der Rotationstest förderte einen fundamentalen Unterschied zutage. Zwar reagierten die übergewichtigen Kinder nicht langsamer. Doch ihre Fehlerquoten waren mehrfach so hoch wie die der normalgewichtigen Kinder, und je mehr die Buchstaben gedreht waren, desto größer waren die Leistungsunterschiede.

Doch was hat ein eingeschränktes räumliches Vorstellungsvermögen mit Übergewicht zu tun? Jansen vermutet, dass es sich früher oder später rächt, wenn Kinder sich nicht genug körperlich bewegen. Bei Übergewichtigen liegt dies oft nahe. Der Bewegungsmangel könne die Motorik schwächen. Und das wiederum könnte die Fähigkeit verkümmern lassen, räumlich zu sehen und zu denken und im Geist Gegenstände zu bewegen und zu drehen – eine Fähigkeit, die für die Aneignung grundlegender mathematischer Fertigkeiten unabdingbar ist.

Mit einem miserablen räumlichen Vorstellungsvermögen braucht sich allerdings niemand abzufinden, denn es ist möglich, es zu trainieren. Auch das haben Jansen und ihr Team nachgewiesen. In diesem Experiment wurden 48 erwachsenen Versuchspersonen auf einem Monitor Paare von Würfelfiguren präsentiert. Die Versuchspersonen sollten augenblicklich entscheiden, ob sie es mit gleichen oder gespiegelten Figuren zu tun hatten. Unmittelbar danach durfte die Hälfte der Probanden an einem drei Monate dauernden Jonglier-Kurs teilnehmen. Denn die Gehirnareale, die beim Jonglieren aktiviert werden, entsprechen teilweise denjenigen, die bei Rotationstests tätig sind. Nach Abschluss des Jonglier-Trainings unterzogen sich sämtliche Probanden ein weiteres Mal dem Rotationstest, und wieder wurden ihre Reaktionszeiten und ihre Fehlerquoten ermittelt. Bei diesem zweiten Test schnitt die Gruppe derjenigen, die das Jonglieren gelernt hatten, erheblich besser ab als beim ersten, und sie war der Kontrollgruppe, die kein Jonglier-Training erhalten hatte, deutlich überlegen.

„Mit der Studie ergibt sich ein weiterer Hinweis darauf, dass Bewegung nicht nur für das körperliche Wohlergehen, sondern auch für andere Prozesse wichtig ist“, sagt Jansen. Selbstverständlich müsse man das Ganze differenziert betrachten, auf keinen Fall mache Bewegung per se schlau, auf keinen Fall seien übergewichtige Kinder per se dümmer.

Die Untersuchung belege eine schlechtere Leistung von übergewichtigen Kindern in einer ganz bestimmten kognitiven Fähigkeit, zeige aber auch, dass diese schlechtere Leistung durch weniger Bewegung verursacht sein könne. In diesem Sinne sei die Studie ein Beitrag für die Bedeutung der Bewegung und mache deutlich, dass mehr Sport, zum Beispiel in den Schulalltag integriert, so manchen Denkprozess fördern könnte. „Wissenschaftlich gesehen stehen wir dabei erst am Anfang der Frage, welche Art von Bewegung welche gedankliche Fähigkeit beeinflusst“, sagt Jansen.

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