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Rohstoffquelle. Mit solchen Röhren wird Methan aus Deponien aufgefangen.

© IMAGO

Umweltgefahr durch alte Deponien: Und ewig gärt der Müll

Aus alten Deponien entweichen üble Gase. Eine Sauerstoffkur kann helfen – und zudem Energie liefern.

Bei der Abfallentsorgung hat sich in Deutschland viel getan: Wir sammeln Papier und Glas, trennen nach Biomüll, Verpackungen und Restmüll. Abfälle von Haushalten, öffentlichen Einrichtungen und kleinen Unternehmen dürfen seit 2005 nicht mehr ohne Vorbehandlung deponiert werden. Ein großer Teil wird recycelt, organische Stoffe kompostiert und der Restmüll bei hohen Temperaturen schadstoffarm verbrannt. Die Müllberge wachsen nur noch langsam. So weit, so gut, wären da nicht die rund 4000 früheren Deponien für kommunale Abfälle. In vielen davon gärt es noch, geruchsintensive und klimaschädliche Gase entsteigen ihnen bis heute, obwohl die Deponien längst geschlossen sind.

Zersetzung nach 35 Jahren noch nicht abgeschlossen

An einer alten Abfallhalde in Bochum wollen Forscher nun versuchen, das Problem exemplarisch zu lösen. Wie vielerorts wurde dort früher praktisch alles entsorgt: von organischen Stoffen wie Kartoffelschalen und Speiseresten bis hin zu Fernsehern und Kühlschränken. Lange galt die Einschätzung, dass die organischen Stoffe in 15 bis 20 Jahren fast vollständig abgebaut seien. Inzwischen weiß man es besser: „Mithilfe von Probebohrungen konnten wir zeigen, dass an der Altdeponie nach mehr als 35 Jahren noch gut 15 Prozent reaktionsfähiges Material vorhanden sind“, sagt Frank Otto von der Technischen Fachhochschule Georg Agricola in Bochum. Gemeinsam mit dem Umweltamt der Stadt sowie dem Chemiker Jürgen Kanitz will er den Abbau des organischen Materials wieder anregen.

Kanitz beobachtet seit Jahren, dass die Zersetzungsprozesse in alten Halden mit der Zeit immer langsamer werden und viel länger dauern als gedacht. „In einer Deponie in der Schweiz haben wir bei einer Bohrung in 15 Metern Tiefe gelbes Heu und sogar einen Skipass von 1968 gefunden – alles unzersetzt“, berichtet er. Wenn untere Teile der Deponie auf zwölf oder 13 Grad Celsius abgekühlt seien, finde kaum noch eine Zersetzung statt.

Gase aus der Deponie zum Heizen

Die verläuft nämlich in zwei Stufen, erläutert Otto. Zuerst entstehen mithilfe von Mikroorganismen und dem Sauerstoff der Luft Kohlendioxid und Wasser sowie, weil die Reaktion heftig abläuft, Wärme. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass die zweite Stufe des Abbauprozesses in Gang kommt: In tieferen Regionen, in die keine Luft mehr gelangt, wandeln andere Mikroorganismen biologische Stoffe in Kohlendioxid und Methan um. Die beiden Verbindungen machen 90 Prozent des Deponiegases aus, der Rest sind Wasserdampf und Spuren anderer Gase. Die Ausdünstungen werden auf vielen größeren Deponien mittels spezieller Brunnen gefördert und können zum Heizen und zur Stromerzeugung verwendet werden.

Bei vielen alten Halden ist die Zersetzung aber fast zum Erliegen gekommen. Um sie erneut anzufachen, wollen die Wissenschaftler um Otto die Bochumer Deponie anbohren und gezielt Sauerstoff hineinbringen. Er soll den Abbau der organischen Stoffe anregen, bis sie vollständig umgesetzt sind. Das entstehende Deponiegas soll über Brunnen aufgefangen werden, um es beispielsweise in einem Blockheizkraftwerk zu nutzen.

Baumwurzeln vertragen das Methangas der Deponien nicht

Die schleichende Ausgasung wäre vorüber und damit einige unerwünschte Nebenwirkungen. „Auf der von uns untersuchten Deponie befindet sich heute ein Freizeitgelände – und dort wachsen keine größeren Bäume. Sobald ihre Wurzeln einen Bereich mit erhöhtem Methangehalt erreichen, sterben sie ab“, sagt Otto. Zudem ist gerade Methan ein starkes Treibhausgas. Wird es nicht aufgefangen, treibt es die Erderwärmung weiter an.

Doch solange rings um die Altdeponien keine Emissionsgrenzwerte überschritten werden, packen die meisten Kommunen die Altlasten nicht an, sagt Otto. Die Methanmengen, die aus den alten Deponien entwichen, seien in keiner offiziellen Emissionsstatistik zu finden. „Deshalb kann auch kein Politiker die Klimabilanz seiner Kommune verbessern, wenn er die Altlasten beseitigt.“ In dem Sanierungsprojekt soll deshalb geprüft werden, inwieweit sich das Gas der Altdeponien wirtschaftlich nutzen lässt, um wenigstens einen Teil der Kosten wieder hereinzubekommen.

Stefan Parsch

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