zum Hauptinhalt
Die meisten Samen werden von den Forschern selbst in die Antarktis gebracht.

© dpa

Antarktis: Unerwünschtes Saatgut

Forscher sorgen sich um das ökologische Gleichgewicht der Antarktis: Besucher bringen fremde Pflanzen mit - vor allem die Forscher selbst.

Mehr als 40 000 Menschen reisen jährlich in die Antarktis. Sie kommen nicht allein. An ihrer Kleidung, den Schuhen und der Ausrüstung bringen sie, ohne es zu wissen, Samen mit – und schleppen so fremde Arten in die Antarktis ein. Eine internationale Forschergruppe hat nun untersucht, wie sich diese fremden Arten auf die einzigartige Lebenswelt des Kontinents auswirken.

Steven Chown vom Zentrum für Invasionsbiologie von der Stellenbosch Universität in Südafrika und seine Kollegen fürchten vor allem im Zusammenhang mit dem Klimawandel um das ökologische Gleichgewicht der Antarktis. Da sie als einziger Kontinent nicht von Menschen besiedelt ist, gilt sie als eine der ursprünglichsten Lebenswelten. Pflanzen und Tiere können sich nahezu ungestört von menschlichen Einflüssen entwickeln.

In der ersten Studie dieser Art kommen die Wissenschaftler zu einem unangenehmen Ergebnis: Die meisten Samen werden nämlich von ihnen selbst, den Forschern, auf die Insel gebracht. „Touristen bringen weniger fremde Arten auf die Insel als Wissenschaftler, deren Assistenten und Touristenführer“, schreiben Chown und Kollegen im Fachmagazin „PNAS“. Etwa 7000 der jährlichen Besucher sind Forscher. Im Gegensatz zu den touristischen Besuchern halten sie sich meist länger in der Antarktis auf.

Datengrundlage sind Stichproben, die die Wissenschaftler im Sommer 2007 in allen wichtigen Regionen der Antarktis genommen haben. Insgesamt überprüften sie 853 Menschen, was rund zwei Prozent der Besucher in dieser Saison entsprach. Mit einem Staubsauger sammelten sie die Samen von der Kleidung, den Rucksäcken, Taschen und Kamerataschen der Besucher ab. Durchschnittlich fanden sie 9,5 fremde Pflanzensamen pro Besucher. Im untersuchten Zeitraum seien so allein rund 70 000 Pflanzensamen aus anderen Teilen der Erde in die Antarktis eingeschleppt worden.

Entscheidend ist jedoch, ob die Samen unter den klimatischen Bedingungen der Antarktis überleben und neue Pflanzen hervorbringen können. Das sei bei rund der Hälfte der gefundenen Samen der Fall, schreiben die Forscher.

Am wahrscheinlichsten sei das Ansiedeln fremder Spezies momentan auf der westlichen antarktischen Halbinsel und den vorgelagerten Inseln. Einige Beispiele gebe es bereits. So habe sich die vorher nicht vorhandene Grasart „Poa annua“ bereits in der Umgebung mehrerer Forschungsstationen ausgebreitet. Auf Deception Island, einer der südlichen Shetlandinseln, seien zwei Pflanzenarten aus Südamerika und zwei fremde Arten von Insekten gefunden worden, von denen mindestens eine Auswirkungen auf das dortige Ökosystem hat, schreibt Chowns Team.

Für die kommenden 100 Jahre erwarten Klimaforscher eine Erwärmung der Antarktis. Die Autoren der aktuellen Studie gehen deswegen davon aus, dass immer größere Teile der Insel von Forschern und Touristen erschlossen werden und sich nicht heimische Pflanzen und Tiere in immer größeren Gebieten ausbreiten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false