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Uni Potsdam: „Kraut und Rüben beim Bachelor“

Sabine Kunst, Chefin der Uni Potsdam, über die Studienreform – und die Konkurrenz mit Berlins Hochschulen

Frau Kunst, die Uni Potsdam hat mit Ihnen eine ungewöhnlich vielseitige Wissenschaftlerin zur Präsidentin. Sie sind Professorin für Wasserbauingenieurwesen, haben aber auch einen Doktor der Philosophie. Sie haben fünf Fächer studiert: neben Wasserbauingenieurwesen Chemie, Biologie sowie Philosophie und Politologie. Wie kommt es zu dieser Vielseitigkeit?

Wahrscheinlich ist mir ein Fach zu langweilig (lacht). Mit Biologie und Chemie habe ich eine naturwissenschaftliche Grundausbildung. Nach dem Studium habe ich nach einer Anwendung gesucht, die mit Menschen zu tun hat und mit der Nutzer auch etwas anfangen können. Daraus ergab sich die Weiterqualifikation in Richtung Wasserwirtschaft.

Wie passen Philosophie und Politik dazu?

Das ist nicht so überraschend, ich hatte mit einem geisteswissenschaftlichen Studium angefangen, aber es dann liegen gelassen. Nachdem ich eine Zeit lang im Ingenieurbereich gearbeitet hatte, fand ich das in der Betrachtung von Natur und Objekten doch sehr eingeschränkt und habe nach Wegen der Reflexion gesucht.

Was können Ingenieure von Geisteswissenschaftlern lernen?

Viel. Sie wissen vielleicht, wie partikularistisch die Sichtweise von Ingenieuren ist und wie viel sie in der praktischen Anwendung von Forschungserkenntnissen übersehen. Ein Beispiel: Sie sollen in einem Land eine Umweltressource erhalten. Mein technisches Wissen nützt wenig, wenn ich nichts über die politischen Akteure weiß. Womöglich können oder wollen sich die, die sich für den Erhalt dieser Umweltressource besonders interessieren, gar nicht für deren Erhalt einsetzen – sei es aus sozialen, kulturellen oder politischen Gründen. Wenn ich das berücksichtigen will, ändert sich auch mein methodischer Ansatz in den Technikwissenschaften enorm.

Sie haben in Bolivien und Südafrika geforscht. Wie verändert das den Blick auf das deutsche Hochschulsystem?

In Bolivien und Südafrika war ich mit sehr praktischen Aufträgen unterwegs, da befasste ich mich weniger mit dem Hochschulsystem. Es ging etwa um den Bau von Teichanlangen für Slumgebiete über La Paz, dem Regierungssitz Boliviens. Von 2003 bis 2006 ...

... als Sie Vizepräsidentin der Universität Hannover waren ...

... habe ich mir genau die Systeme in Asien und Südamerika angeschaut. Dabei lernte ich, dass wir uns international kompatibel aufstellen müssen. Auch wenn es viele Klagen gibt und sie teils berechtigt sind, führt an einer Neustrukturierung des Studiums in Bachelor und Master kein Weg vorbei. Mit dem weltweiten Blick sieht man auch, dass Deutschland wissenschaftlich gut aufgestellt ist. Ich will nicht sagen, dass die anderen nicht forschen können. Viele unserer Arbeitsgruppen sind aber international absolut konkurrenzfähig.

Eine Frau an der Spitze einer deutschen Uni ist eine Rarität. Auch der Anteil von Frauen an der Professorenschaft ist gering. Wissenschaftsmanager wie Ernst-Ludwig Winnacker fordern eine Quotierung für Frauen in der Wissenschaft. Wie stehen Sie dazu?

Das ist ein zweischneidiges Schwert. Wenn sie junge Wissenschaftlerinnen über Quoten in wichtige Positionen lupfen wollen, werden die das wenig gern haben. Aus meiner langjährigen Erfahrung würde ich aber sagen: Wieso eigentlich nicht? Mir würde es nichts ausmachen, die Quotenfrau zu sein, wenn ich dann an einem bestimmten Punkt genau das machen kann, was wichtig ist.

Nach Potsdam kommen viele Studenten und auch Forscher, wenn sie in Berlin keinen Platz erhalten. Offensichtlich wird die Uni nicht allein wegen ihres Angebotes gewählt, sondern übernimmt auch die Rolle eines Überlaufbeckens für die Hauptstadt.

Ehrlicherweise muss man sagen, dass Potsdam von Berlin profitiert. Andererseits: Warum die Studierenden kommen, ist sekundär. Wichtig ist, dass sie aufgrund unserer Besonderheiten gern in Potsdam studieren, wenn sie da sind. Wir haben viele Chancen. Die Universität ist eine kleinere als die Berliner, und es gibt Bereiche, die sie in Berlin nicht finden.

Wie wollen Sie Ihre Uni positionieren?

Unsere Entwicklungsplanung richtet sich darauf, dass wir uns komplementär zu dem Angebot in Berlin profilieren. Wir werden unsere Stärke ausspielen: die Verbindung mit außeruniversitären Instituten. In den Naturwissenschaften wollen wir in der Lehre Formen der Spezialisierung anbieten, die sich an den neuen interdisziplinären Randgebieten auftun. Ich denke etwa an die der Biomedizin zuarbeitenden biologischen Spezialisierungen und die Bioinformatik. Eine der prägenden Aufgaben bleibt die Lehrerbildung.

Experten prophezeien, das deutsche Hochschulsystem werde sich zu einer Zweiklassengesellschaft entwickeln: Wenige Unis mit Spitzenforschung stehen vielen Ausbildungshochschulen gegenüber. Wie kann eine mittlere Uni wie Potsdam gestärkt daraus hervorgehen?

Durch eine enge Kopplung zwischen Forschung und Lehre. Diese ist bei uns – im Gegensatz zu vielen großen Unis – wirklich gegeben. Wir können so eine forschungsbasierte Lehre systematisch entwickeln. Das schließt Spitzenforschung in den Feldern, in denen wir besonders ausgewiesen sind, nicht aus.

Auch wegen der Nähe zu Berlin ist Potsdam – anders als viele ostdeutsche Unis – überlaufen. Gleichzeitig müssen Sie die Betreuung in den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen verbessern. Sie wollen die Studentenzahl dennoch halten. Wie wollen Sie das schaffen?

Wir müssen dazu die Mittel nutzen, die über den Hochschulpakt 2020 verteilt werden. Wir müssen jetzt neue Leute einstellen, um die Betreuungsrelation zu verbessern. Wir werden unser Studienangebot auch noch einmal durchforsten, um zu prüfen, was langfristig im Angebot bleibt. Noch ist die Neigung da, dass auch kleine Gruppen von Kollegen gerne ihren eigenen Studiengang haben. Dadurch hat man – um es ein wenig flapsig zu formulieren – im ersten Schritt der Bachelor- und Masterreform eine große Vielfalt, zum Teil eine Art Kraut-und-Rüben-Laden bekommen. Daher werden wir nun gewisse Einschränkungen machen, um Luft für unser Konzept einer forschungsbasierten Lehre zu haben.

Wissenschaftsministerin Johanna Wanka befürwortet Studiengebühren. Sie auch?

Für mich ist die Hauptaufgabe einer Universität, für ihre Studierenden da zu sein – in einer Form, die angemessen ist. Die Finanzierung vom Land ist dafür nie ausreichend. Dementsprechend sind Studiengebühren nicht das Schlechteste, wenn sie Studierenden zugutekommen. Andererseits stehen Gebühren bei der politischen Gesamtsituation in der Region Berlin-Brandenburg nicht zur Diskussion. Wir werden beobachten, was in den nächsten Jahren in den Bundesländern mit Gebühren passiert. Dann kann man gegebenenfalls auch bei uns eine den Studierenden zumutbare Lösung finden.

Entsprechen die bisherigen Pläne Ihrer Vorstellung von zumutbaren Gebühren?

Es scheinen einige Hochschulleitungen Schwierigkeiten haben zu definieren, wofür man Studiengebühren verlässlich einsetzen kann. Wenn es sich darin erschöpft, die Infrastruktur einer Hochschule zu sanieren, ist das wirklich zu kurz gesprungen.

Die Fragen stellte Tilmann Warnecke.

Sabine Kunst (52)

ist Ingenieurin und Philosophin – und seit Beginn des Jahres Präsidentin der Universität Potsdam. Davor war sie Vizepräsidentin der Universität Hannover.

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