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Volles Haus. Seitdem mehr und mehr Bachelorstudierende ihren Abschluss machen, wird es auch im Master eng. Foto: dpa

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Universität: Kampf um den Masterplatz

Immer mehr Studierende können nach dem Bachelorabschluss nicht mit dem Studium weitermachen. In Berlin haben die Unis Tausende Bewerber abgelehnt.

Als die Absage ins Haus flattert, kann es Malte Senska nicht fassen. Er ist schockiert und wütend. Wie konnte das passieren? Der 24-Jährige hatte fest damit gerechnet, den Masterplatz für Geschichte an der Humboldt-Universität zu bekommen. Abwegig war die Vorstellung nicht. Senska möchte Lehrer werden und hat bis zum Sommer im Bachelor studiert, Abschlussnote: 2,2. Mit dem Berufsziel Lehrer ist für ihn der Master ein Muss. „Es kann doch nicht sein, dass ich mit einem Abschluss dastehe, der mir nichts bringt“, kritisiert er. Für ihn fühlt es sich an, als habe man ihm mitten im Studium den Studienplatz weggenommen.

Mit diesem Problem ist er nicht allein. 14 seiner 34 Mitstreiter wurden ebenfalls abgelehnt. In den vergangenen Jahren hat die HU alle Bewerber für den Master of Education zugelassen, in gefragten Fächern wie Englisch, Deutsch und Geschichte waren das stets mehr als vorgesehen, wie Uwe Jens Nagel, Vizepräsident für Studium und Lehre, erklärt. Auch zu diesem Winter wurden wieder mehr Studierende zugelassen als eigentlich geplant. Doch immer noch waren es zu viele Bewerber – so hatte das Institut für Geschichte nicht genügend Kapazitäten.

Studierendenvertreter vom „Freien Zusammenschluss der StudentInnenschaften“ schätzen, dass bundesweit bereits in diesem Semester Tausende Studierende, die in den Master wollten, abgewiesen wurden. Denn immer größere Bachelor-Kohorten schließen ihr Studium ab – und viele drängen in den Master. Allein von 2008 auf 2009 verdoppelte sich bundesweit die Zahl der Bachelor-Absolventen fast, der Anstieg dürfte in diesem Jahr noch höher ausfallen. In den kommenden Jahren werde sich „das Problem weiter zuspitzen“, sagt HU-Vize Nagel.

Gingen an der HU zum vergangenen Wintersemester noch 3700 Bewerbungen für etwa 1800 Masterplätze ein, waren es in diesem Jahr schon 5500. Die FU verzeichnete einen Anstieg um 2500 Bewerbungen auf 6800, sie bietet 2315 Studienplätze im Master an. Die TU erhielt 2856 Bewerbungen für 1380 Plätze. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft hatte rund 1800 Bewerbungen auf 610 Plätze, im Vorjahr waren es noch 1100 Bewerbungen. Viele Masterstudiengänge in Berlin sind daher inzwischen wie alle Bachelorfächer zulassungsbeschränkt.

Um an der Humboldt-Universität einen Platz in Kulturwissenschaften zu bekommen, mussten Studierende einen Bachelorabschluss mit einer Note von mindestens 1,5 mitbringen. Für wirtschaftswissenschaftliche Fächer lag der Schnitt bei 2,2. Der höchste NC an der TU lag bei 1,5 – für das Fach Kommunikation und Sprache. Im Maschinenbau gab es doppelt so viele Bewerbungen wie Plätze. Insgesamt sind von knapp 60 Masterstudiengängen der TU 34 zulassungsbeschränkt. An der FU ist unter anderem Gesundheitspsychologie besonders nachgefragt, hier brauchte man einen Schnitt von 1,3, in Politikwissenschaft lag der NC bei 1,6.

Alle angehenden Lehrer haben an der FU jedoch einen Masterplatz bekommen. „Wir geben allen Bachelorabsolventen im Lehramt eine verbindliche Zusage, dass sie auch in den Master können“, sagt Präsident Peter-André Alt. Denn für Lehramtsstudierende werde es immer schwieriger, nach dem Bachelor in ein anderes Bundesland zu wechseln – wegen der unterschiedlichen Praxiselemente. Die Übernahmegarantie gehe nicht zulasten der allgemeinen Masterplätze; die Lehramtsanwärter hätten ihre eigenen Studiengänge, es gebe sehr geringe Überschneidungen.

Der generelle Mangel an Plätzen im Master überrascht nicht, er ist politisch gewollt. Anders als andere Länder hat Deutschland den Bachelor explizit als „Regelabschluss“ definiert, nach dem die Mehrheit der Studierenden die Hochschule verlässt. So wollte es auch der Wissenschaftsrat. Die Kapazitäten, die frei werden, weil Studierende im Bachelor meist nur sechs Semester statt wie früher acht oder neun studieren, sollte genutzt werden, um die Lehre im Bachelor zu verbessern. Die Kultusminister der Länder haben keine konkreten Quoten für den Übergang formuliert, schließlich hängt es auch von der Nachfrage nach einem Masterstudiengang ab, wie viele Studierende nach dem Bachelor dort tatsächlich einen Platz finden. Darum lässt sich auch nicht für eine einzelne Hochschule sagen, wie die Kapazitäten zwischen Bachelor und Master aufgeteilt werden. In Umfragen haben allerdings zwei Drittel der Bachelorstudierenden gesagt, sie wollten in den Master – die Kultusminister sind eher davon ausgegangen, dass ein Drittel weitermacht.

Die Berliner Senatsverwaltung für Bildung und Wissenschaft bleibt gelassen: „Im Rahmen des Qualitätspaktes für die Lehre ist eine durchschnittliche Übergangsquote von 50 Prozent vereinbart“, sagt Sprecher Martin Sand. Das heißt: 50 Prozent aller, die sich für den Bachelor einschreiben, sollen auch einen Masterplatz bekommen können. Da nur etwa 80 Prozent bis zum Abschluss studieren, sei die tatsächliche Übergangsquote noch höher. Die Berliner Unis würden außerdem bis 2013 insgesamt bis zu 16,6 Prozent mehr Zuschüsse bekommen als 2009. Klar sei aber, „dass es in manchen Fächern immer mehr Bewerber als Plätze geben wird“. Berlin sei eben ein gefragter Studienort.

Die Universitäten verweisen darauf, dass sie bereits jetzt mehr Masterstudenten aufnehmen als sie müssten, ohne das vom Land finanziert zu bekommen. Die HU habe in diesem Semester 300 Masterstudierende mehr aufgenommen als die 1800, zu denen sie bei einer durchschnittlichen Übergangsquote von 50 Prozent verpflichtet wäre, sagt Vizepräsident Nagel. Man würde gerne noch mehr Kapazität im Master schaffen. Dann müsste man allerdings Bachelorplätze kürzen, was weder von der Universität noch von der Politik gewollt sei.

Die FU will Kapazitäten mit Fast-Track-Angeboten für Bachelorabsolventen freimachen: In einigen wenigen Studiengängen wie Mathematik ist es schon jetzt möglich, bei sehr guten Leistungen gleich ins Promotionsprogramm zu wechseln. In anderen Fächern soll der Weg ins Promotionsstudium nach einem Masterjahr eröffnet werden.

Studentenvertreter fordern Masterplätze für alle. Der Studierendenverband Die Linke.SDS forderte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) auf, den Rechtsanspruch auf einen Masterplatz in einem Bundesgesetz zu verankern. Sascha Watermann, Studentenvertreter an der HU, hielte es für sinnvoll, wenn sich die Studenten zu Studienbeginn für den Master einschreiben und nach sechs Semestern mit dem Bachelor die Uni verlassen können – aber nicht müssen. An der FU lehnte der Akademische Senat am Mittwoch einen studentischen Antrag ab, Bachelorabsolventen grundsätzlich einen Masterplatz zu garantieren.

Das Problem wird dadurch verschärft, dass die Berliner Bachelorabsolventen mit Bewerbern aus dem Bundesgebiet und aus dem Ausland konkurrieren. Wie viele Bewerber von auswärts angenommen wurden und wie viele der eigenen Bachelorstudierenden in den Master überwechseln, konnten HU und TU auf Anfrage nicht sagen. Man werte diese Daten gerade aus, hieß es. An der FU kommen 25 Prozent aus dem Ausland, sagt Präsident Alt. Prinzipiell sei festzustellen, dass Bewerber anders als im Bachelor ihren Masterplatz zuverlässiger annehmen, sagt Horst Henrici, Leiter des Referats für Zulassung und Immatrikulation der TU.

Einen Überblick, wie viele Masterplätze an deutschen Hochschulen derzeit auf wie viele Bachelorabsolventen kommen, gibt es nicht. Aus der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) heißt es, es gebe noch keinen bundesweiten Engpass. Studierende dürften aber nicht darauf setzen, an ihrer Wunschuni einen Platz zu erhalten. Indes ist auch nicht gesichert, dass man als Germanistik-Bachelor tatsächlich in jeden Germanistik-Master kommt: Die Universitäten definieren selbst, welche Voraussetzungen die Bewerber für einen Master mitbringen müssen.

Abgelehnte BA-Absolventen, die unbedingt einen Master machen wollen, greifen immer häufiger zum letzten Mittel und klagen sich ein. Der Berliner Anwalt Matthias Trenczek, der Studierende vertritt, sagt, er habe in letzter Zeit etwa 30 Prozent mehr Bachelorabsolventen beraten. Wenn nachzuweisen ist, dass einzelne Institute noch Kapazitäten haben, müssen sie mehr Studierende aufnehmen. In der Praxis wird das oft erst gar nicht nachgeprüft. Meistens geben die Unis nach – zumindest dann, wenn die Zahl der Kläger nicht zu hoch ist.

Malte Senska, der keinen Platz für den Master of Education bekommen hat, klagt erstmal nicht. Im nächsten Jahr will er sich wieder bewerben. Bis dahin wird er sich auf seinen späteren Beruf vorbereiten: als Nachhilfelehrer und Hausaufgabenbetreuer.

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