zum Hauptinhalt
Experiment mit ungewissem Ausgang. Wissenschaftliche Mitarbeiter an Hochschulen sind in der Regel nur befristet angestellt, der Weg zur Professur ist steinig. Initiativen kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen. Im Bild Doktoranden an der TU Chemnitz. Foto: Keystone

© Jochen Zick / Keystone Pressedie

Unsichere Karrieren von Nachwuchsforschern: „Den Schlagbaum vor Augen“

"Im Zweifel steht man auf der Straße": Nachwuchswissenschaftler an deutschen Hochschulen beklagen ihre unsicheren Perspektiven. Zu Recht?

Schon als Student der Politikwissenschaft war er studentische Hilfskraft, hatte dann einen Lehrauftrag am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin. Heute ist Christof Mauersberger wissenschaftlicher Mitarbeiter am Otto-Suhr-Institut. Der 29-Jährige steuert zielsicher auf eine wissenschaftliche Karriere zu, sollte man meinen. So mancher Nachwuchswissenschaftler könnte ihn beneiden.

Doch Mauersberger selbst ist mit seiner Situation keineswegs zufrieden. Der wissenschaftliche Mittelbau sei „zunehmend von Prekarisierung betroffen“, sagt der Politologe. Ende 2009 gründete er deshalb die Initiative „FU Mittelbau“, eine Gruppe, die sich für die Interessen des wissenschaftlichen Personals starkmacht. Befristete Arbeitsverträge, Überlastung mit Verwaltungsaufgaben, unklare Perspektiven – die Situation der wissenschaftlichen Mitarbeiter an den Hochschulen beschreibt die Initiative als dramatisch. Das Kernproblem seien die befristeten Anstellungen. Die Hochschulen vergleicht Mauersberger mit einem „Durchlauferhitzer“ für ihr Personal – und er meint das nicht positiv. Wegen der kurzen Vertragslaufzeiten müssten wissenschaftliche Mitarbeiter alle paar Jahre ihren Wohnort wechseln. Diese hohe Flexibilität sei von ihnen aber nicht zu verlangen. „Weg von dem falschen Gedanken, dass nur unsichere Perspektiven zu hervorragender Forschung und Lehre anstacheln würden“, lautet deshalb die Forderung der Initiative FU-Mittelbau.

Silke Gülker vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung bestätigt: „Eine wissenschaftliche Karriere ist heute in der Tat mit großen vertraglichen Unsicherheiten verbunden“. Vonseiten der Politik stehe dahinter der Gedanke, dass „Menschen umso leistungsfähiger sind, je mehr man sie im Unklaren lässt“, erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin. Und weil die Wissenschaft eben ein anderes Geschäft sei als andere Branchen, brauche sie mehr Flexibilität.

„Die Hochschule lebt von der Fluktuation“, sagt auch Brigitte Göbbels-Dreyling, stellvertretende Generalsekretärin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Ein Wechsel müsse schon deshalb stattfinden, um dem Nachwuchs „eine Chance zu bieten“. Vorteile sieht auch Michael Teubert, Rektor der Hochschule Neubrandenburg und Sprecher der Mitgliedergruppe der Fachhochschulen der HRK. „Die Hochschulen können sich für neue Projekte stets die bestqualifizierten Leute heraussuchen.“ So könnte es nicht passieren, dass „man auf einer Person festsitzt“.

Ein Blick auf die Beschäftigungsverhältnisse macht klar: An den Berliner Universitäten haben heute nur die wenigsten eine unbefristete Anstellung. An der Freien Universität sind 17 Prozent aller wissenschaftlichen Mitarbeiter unbefristet eingestellt, 21 Prozent sind es an der Humboldt-Universität (HU). Dafür steigt die Zahl der befristeten Verträge kontinuierlich. Das liegt auch daran, dass an HU, FU und TU mittlerweile etwa die Hälfte der Stellen drittmittelfinanziert ist, also nur so lange, wie das jeweilige Projekt läuft.

Mehr Flexibilität verschafft den Hochschulen seit vier Jahren das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Das erlaubt es, wissenschaftliche Mitarbeiter ohne Begründung sechs Jahre vor und bis zu sechs Jahre nach der Promotion befristet einzustellen. Von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wird das Gesetz scharf kritisiert. „Die Arbeitgeber bieten den Wissenschaftlern weder verlässliche Berufsperspektiven noch faire Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse“, sagt Andreas Keller, der im GEW-Vorstand für Hochschule und Forschung zuständig ist. In ihrem „Templiner Manifest“ fordert die Gewerkschaft Dauerstellen und höhere Gehälter für den Mittelbau. 7200 Wissenschaftler haben den Forderungskatalog schon unterzeichnet.

Peter Frensch, Vizepräsident für Forschung an der Humboldt-Universität, versteht die Aufregung um die Beschäftigungsverhältnisse nicht. Befristete Anstellungen seinen schon viel länger üblich, zum Beispiel an außeruniversitären Einrichtungen wie der Max-Planck-Gesellschaft. Und er liefert noch einen weiteren Grund dafür, warum vor allem Doktoranden oft zunächst auf ein Jahr befristet angestellt werden: Sie müssen ihre Qualität erst beweisen. „Die Betreuer sind vorsichtiger geworden“, sagt Frensch. Er persönlich halte zwar nichts von diesem „Rumprobieren“, habe aber ein „gewisses Verständnis dafür“. Extrem kurze Vertragslaufzeiten würden allerdings internationale Bewerber abschrecken. „Da schneidet man sich dann ins eigene Fleisch.“

Fehlende Perspektiven an deutschen Hochschulen bemängeln auch Wissenschaftler, die jahrelang im Ausland geforscht haben und wieder zurück nach Deutschland wollen. Im Juni übergaben 100 rückkehrwillige deutsche Spitzenforscher Bundespräsident Christian Wulff im Schloss Bellevue eine Resolution mit Reformvorschlägen. Das Papier wurde stellvertretend überreicht für die 20 000 deutschen Wissenschaftler an Forschungseinrichtungen in den USA. Die Hauptkritikpunkte: Altherrenklubs an den Universitäten, fehlende Planbarkeit durch die befristeten Stellen, zu niedrige Gehälter. HU-Vizepräsident Frensch, der selbst einige Jahre in den USA lehrte, bestätigt, dass es „nicht ganz einfach“ sei aus dem Ausland nach Deutschland zurückzukehren. Die Forscher könnten unter anderem kaum auf Netzwerke in der Heimat zurückgreifen.

Ein weiterer Unterschied: Ein Assistant Professor, der in Deutschland mit dem Juniorprofessor vergleichbar ist, bekommt in den USA oft einen sogenannten Tenure Track angeboten. In den Staaten heißt das, dass man schon bei Anstellung eine Übernahme in eine unbefristete Professorenstelle in Aussicht gestellt bekommt, wenn man sich in Lehre und Forschung bewährt. Hierzulande wird allerdings oftmals nur eine Tenure-Track-Option offeriert, also die Möglichkeit sich auf eine frei werdende Professorenstelle an der eigenen Uni zu bewerben. Auf diese Weise wird das Hausberufungsverbot umgangen. An der Humboldt-Universität sind die Tenure-Optionen schon weit verbreitet, an der FU noch eher die Ausnahme. Generell ist ein Juniorprofessor erst einmal auf sechs Jahre befristet angestellt – ohne Garantie auf Weiterbeschäftigung.

„Man hat immer den Schlagbaum vor Augen, dass man im Zweifel auf der Straße steht“, sagt Carsten Schultz, Juniorprofessor für Management und Dienstleistungsinnovationen an der TU Berlin. „Tenure Tracks müssten die Regel, nicht die Ausnahme sein.“ Ob der Juniorprof bleiben kann, entscheiden letztlich Anzahl und Qualität der Publikationen. In dieser Hinsicht sei er schon in einer komfortablen Lage, sagt Schultz. Weil seine Professur von der Deutschen Telekom gestiftet wird, muss er statt vier nur zwei Semesterwochenstunden lehren. Bleibt mehr Zeit für die Forschung. „Wenn man als Lehrsklave eingesetzt wird, dann hat man tatsächlich schlechte Karten“, sagt Schultz.

Arbeitslose Juniorprofessoren? Peter Frensch von der HU sieht dieses Problem nicht. Er versteht zwar, dass „am Anfang der sechs Jahre eine gewisse Angst besteht, keinen Job zu bekommen.“ Tatsächlich trete das aber „unglaublich selten“ ein. Von 100 Juniorprofessoren, die an der HU in den vergangenen Jahren eingestellt wurden, hätte es ein, zwei solcher Fälle gegeben. „Die meisten werden vorher wegberufen“, sagt Frensch.

Christof Mauersbergers Stelle an der FU läuft in zwei Jahren aus. Ob er dann bereit ist für die nächste Anstellung mit Risiko, werde sich zeigen, sagt er. Trotz der Kritik am System: Auch Mauersberger hofft auf eine Professur. „Die strebe ich auf jeden Fall an“, sagt er.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false