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Allein in der Arktis. An Bord der Polarstern brachten Forscher den Tiefsee-Roboter „Tramper“ in die Nähe von Spitzbergen und setzten ihn aus. Das Gerät misst ein Jahr lang autonom am Meeresgrund den Sauerstoffgehalt im Sediment.

© Eddi Fadeev, AWI

Unterwasser-Roboter: Mission Tiefsee

Menschen in die Tiefen der Ozeane zu schicken, ist zu teuer und waghalsig. Diese Aufgabe übernehmen neue Tauchroboter. Ihre Konstrukteure haben von der Raumfahrt gelernt.

Riesenkraken, versunkene Schiffe, unwirkliche Landschaften – die Tiefen der Ozeane bergen viele Geheimnisse. Trotz des technischen Fortschritts bleiben sie uns weitgehend fremd. Als Tiefsee gilt, was mehr als 200 Meter unter der Wasseroberfläche liegt. Nach dieser Definition gehören 62 Prozent der Erdoberfläche zu diesem Ökosystem. Kein Sonnenstrahl dringt hinab, es herrscht ewige Dunkelheit. Der Wasserdruck ist enorm. Er steigt um ein Bar je 10 Meter Wassertiefe. Unter solchen Bedingungen können Menschen nur in Hightech-Tauchbooten überleben.

Teuer und gefährlich ist es obendrein. Nur drei Menschen haben den tiefsten Ort der Erde, den Marianengraben im Pazifik, mit eigenen Augen gesehen. Elf Kilometer unter dem Meeresspiegel liegt die tiefste Stelle dieser unterseeischen Riesenrinne. Bereits in sechs Kilometer Tiefe lastet das Gewicht eines Kleinwagens auf jedem Quadratzentimeter des Tauchbootes. Gibt das Material nach, bedeutet dies für die Wissenschaftler den sicheren Tod.

Um diese Gefahr zu vermeiden und öfter in die Tiefsee vorzudringen, setzen Forscher zunehmend auf unbemannte Tauchroboter. Jakob Schwendner vom Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Bremen entwickelt solche Unterwasserfahrzeuge. Einer von ihnen ist „Wally“: Er ist teilautonom, wird von Deutschland aus über die Computertastatur ferngesteuert und gehört der Jacobs University Bremen.

Die Energieversorgung ist eine Herausforderung

„Er kann länger unter Wasser bleiben, weil wir auf dem Meeresboden einen Schaltkasten angebracht haben, der über ein Kabel Strom liefert“, sagt Schwendner. Wally ist mit Sensoren ausgestattet, die Messwerte direkt an die Forscher zurückgeben. Und er ist nicht der einzige moderne Roboter. Ein vom DFKI entwickeltes AUV (autonomes Unterwasserfahrzeug) namens „Flatfish“ wird gerade von einem Partnerinstitut an der brasilianischen Küste getestet. Zudem arbeiten die Forscher gerade an „Leng“. Dieses AUV soll in drei Jahren für Missionen unter dem Eis erprobt werden.

Die Roboter mit Energie zu versorgen, ist seit jeher eine der größten Herausforderungen für die Unterwasserrobotik. Je mehr Strom die Geräte brauchen, desto abhängiger sind sie von externen Stromquellen wie Schiffen oder Unterwasserkabeln. Dabei gibt es zwei Arten von Tiefseerobotern: kabelgeführte und autonome. Die ROVs – die englische Abkürzung steht für „Remotely Operated Vehicles“ – sind ferngesteuert und durch ein Glasfaserkabel mit einem Schiff verbunden, das den Strom liefert und über das die Daten, Kommandos und Bilder zum Piloten übertragen werden. ROVs werden vor allem in der Offshore-, Öl- und Gasindustrie benutzt. Sie inspizieren Pipelines, Rohre und Gerätschaften der Plattformen, prüfen, ob Schrauben richtig sitzen oder ob das salzhaltige Wasser Materialien angegriffen hat. Ihr Einsatz ist im Vergleich zu bemannten Tauchbooten billig und risikoarm. Sie gelten als Universalgeräte, sind robust, können greifen und dank ihrer Antriebspropeller in unterschiedliche Richtungen manövrieren.

Es ist leichter, mit einem Roboter auf dem Mars zu kommunizieren

AUVs müssen mit dem im Gerät vorhandenen Stromvorrat auskommen, also sparsamer damit umgehen. Dafür sind sie eigenständiger und können größere Distanzen zurücklegen und beispielsweise unterseeisches Gelände kartografieren, Salzgehalt, Temperatur und Strömungen messen oder nach Methanvorkommen suchen. Ihre Form erinnert meist an Torpedos, sie bewegen sich mit einem Heckantrieb fort und werden mit Batterien betrieben. Hier beginnen die Probleme: Erstens ist die Kapazität dieser Akkus endlich, weshalb die meisten AUVs keine Greifarme haben. Und zweitens sind die Roboter auf sich allein gestellt sind und nicht mehr vom Schiff steuerbar.

„Es ist leichter mit einem Roboter auf dem Mars zu kommunizieren, als mit einem Roboter in der Tiefsee“, sagt Olaf Pfannkuche, der jahrelang wissenschaftlicher Leiter des Technik- und Logistikzentrum am Kieler Meeresforschungs-Institut Geomar war. Unter Wasser funktioniere kein Funk und kein GPS. Der Roboter müsse also vorher wissen, wo er hinfahren soll. Die meisten AUVs bewegten sich deshalb auf festgelegten Kursen – wie programmierte Rasenmäher. „Wenn es da unten etwas zu sehen gibt, wäre es aber schön, wenn der Roboter einen genaueren Blick darauf werfen könnte oder gegebenenfalls etwas einsammelt. Dann wiederum fehlen die Arme.“ Nach Richtungswechseln unter Wasser hätten die Geräte zudem Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Die direkte Kommunikation vom Schiff aus funktioniere akustisch. Über Sonare erkennen die Roboter Strukturen wie Flugzeugwracks. Das sei schon das nächste Problem, denn die Wasserdichte im Meer ist unterschiedlich und erschwere insbesondere die Übertragung hochwertiger Digitalbilder.

Ähnlich extreme Bedingungen kennt man sonst aus der Raumfahrt

Kälte, Wasserdruck, Salz – ähnlich extreme Bedingungen kennen Wissenschaftler sonst nur aus der Raumfahrt. Also schlossen sich Tiefseeforscher, Robotiker und Raumfahrttechniker der Helmholtz-Gemeinschaft im Projekt Robex zusammen, um an autonomen Systemen, künstlicher Intelligenz und Sensorik zur Erforschung extremer Lebensräume zu arbeiten. 16 Institutionen entwickeln gemeinsam Technologien, die die Erforschung schwer erreichbarer Gebiete wie Tiefsee, Polargebiete und Weltraum ermöglichen sollen.

Wie fruchtbar dieser Austausch sein kann, zeigt eine Kombination von einem Tiefseelander (Mansio) mit einem Hangar und einem autonomen Bodenfahrzeug (Viator). „Mansio“ ist lateinisch und bedeutet Herberge, „Viator“ heißt Wanderer. Der Wanderroboter ist mit einem leistungsstarken Lithium-Polymer-Akku ausgestattet, den er in einer Aufladestation, der Mansio, über eine Induktionsspule immer aufladen kann. Gleichzeitig liefert er dort seine Messdaten ab. „Das haben wir uns von den Mondlandern abgeschaut“, sagt Pfannkuche. Viators soll ein unbekanntes Gelände autonom mit Laserabtastung und Fotos dreidimensional kartieren. Ist das Gelände bekannt, soll der Roboter biologische Strukturen wie Tiefseekorallenriffe, schwarze Raucher oder Methanquellen untersuchen oder Unterwasserindustrieanlagen und den Meeresbodenbergbau überwachen.

Nach Probeläufen im November 2014 im Testbecken des DFKI kam der Viator auf einer Expedition des Forschungsschiffes Alkor in der Geltinger Bucht in der Ostsee zum Einsatz – mit großem Erfolg. Läuft alles nach Plan, wird das Roboter-System im Herbst an Bord der Polarstern in der Arktis zu einem Tiefseeeinsatz an Methanquellen in 1300 Meter Tiefe ausgesetzt.

Exkursion am Meeresboden nahe Spitzbergen

Im Robex-Projekt wurde ebenfalls das Kettenfahrzeug „Tramper“ konzipiert, das nahe Spitzbergen ein Jahr lang unterwegs ist. Der kabellose, ultra-energiesparsame AUV ist mit einem Mikroprofiler ausgerüstet. Die haarfeinen Glaselektroden tauchen in Millimeterschritten in das Sediment ein, um die Sauerstoffdiffusion zu messen. Forscher entwickelten ihn, damit er ein Sauerstoffprofil des Meeresbodens erstellt. Geleitet wird der Tramper von einem eingebauten Navigationsgerät. Er kann es so lange unter Wasser aushalten, weil er sein Energie-Management an und ausschalten kann.

Doch wie findet man einen Roboter in der Tiefsee wieder, um ihn einzusammeln? Tramper kann ein akustisches Signal, das das Forschungsschiff „Polarstern“ aussendet, empfangen. Daraufhin wird er seinen Ballast abwerfen und selbstständig auftauchen. So lautet der Plan. Ob es gelingt, zeigt sich im Sommer 2017.

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