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Zu viel bezahlt. Der damalige FU-Präsident Peter Gaehtgens überreicht Studienanfängern im Jahr 2000 Immatrikulationsurkunden. Haben diese Studenten auch nach ihrem ersten Semester weiter in Berlin studiert, können sie nun Geld zurück fordern.

© Thilo Rueckeis HF

Urteil erklärte Rückmeldegebühren für rechtswidrig: 77 000 Absolventen fordern Geld von den Berliner Universitäten

Bereits 77 000 ehemalige Studierende haben die rechtswidrigen Rückmeldegebühren zurückverlangt, auf die Universitäten kommen Zahlungen in Millionenhöhe zu. Und während die eine Uni bereits mit der Rückzahlung begonnen hat, lässt sich eine andere viel Zeit.

Die ersten Ehemaligen haben ihr Geld bereits bekommen, doch viele werden sich gedulden müssen. Berlins Hochschulen kommen unterschiedlich schnell bei der Auszahlung der Rückmeldegebühren voran, die zwischen 1996 und 2004 zu Unrecht von den Studierenden in Berlin verlangt wurden. Über 77 000 Anträge sind schon eingegangen. Während sich viele FU-Absolventen im Internet zufrieden darüber äußern, dass sie ihr Geld bereits erhalten haben, hat die Humboldt-Uni noch nicht einmal mit der Auszahlung begonnen.

Der Druck auf die Hochschulverwaltungen ist die Folge des Urteils vom Bundesverfassungsgericht. Karlsruhe hatte im vergangenen November eine Regelung für ungültig erklärt, die der schwarz-rote Senat unter dem damaligen Regierenden Eberhard Diepgen geschaffen hatte. Die Studierenden sollten bei ihrer Rückmeldung 100 DM, später 51,13 Euro bezahlen. Die Karlsruher Richter urteilten, die Gebühren hätten „in grobem Missverhältnis“ zu den tatsächlichen Kosten für den Verwaltungsakt bei der Rückmeldung gestanden.

Nach einem ähnlichen Urteil gegen die Praxis in Baden-Württemberg hatte Berlin 2004 sein Gesetz so verändert, dass nun allgemeiner von „Verwaltungsgebühren“ die Rede ist und die Kostenpunkte deutlicher erklärt werden. Das wird von Gerichten nicht beanstandet, so dass von der Rückzahlung nur einige Jahrgänge betroffen sind.

Die HU lässt sich am meisten Zeit. Sie wird „wahrscheinlich erst im Juni mit der Auszahlung beginnen können“, teilt eine Sprecherin mit. Es gebe einen „Bearbeitungsstau“. Die HU sei aber „bemüht, die technischen Voraussetzungen für die Rückzahlung schnellstmöglich zu schaffen“. Mittlerweile habe die Uni zwei zusätzliche Personen eingestellt, die die Anträge prüfen und erfassen. Bisher haben 18 000 ehemalige Studierende einen Antrag gestellt. Fordern alle Berechtigten ihr Geld zurück, könnten 22,6 Millionen Euro zusammenkommen, heißt es. Bisher vertröstet die HU Antragsteller mit einem Brief: „Bitte stellen Sie sich auf eine längere Wartezeit ein und sehen Sie von Nachfragen ab“, heißt es dort. Manche bekamen das Schreiben erst zwei Monate nachdem sie ihren Antrag gestellt haben.

An der FU sind bis Ende April rund 20 000 Anträge eingegangen, heißt es aus der Uni. Sie werden in der Reihenfolge ihres Eingangs abgearbeitet. Die FU hat schon 2,8 Millionen Euro ausgezahlt. Über 40 000 Studierende hatte die FU in jenem Zeitraum in einer Jahreskohorte. Die Zahl möglicher Anträge kann aber weit darüber liegen, denn viele Studierende verließen die Uni in diesen Jahren, andere kamen hinzu. Die FU wagt keine Prognose.

Die TU hat sogar schon 27 500 Anträge erhalten. Maximal rechnet sie mit bis zu 80 000 Anträgen, was 26 Millionen Euro kosten würde. Die TU überweist die Mittel seit dieser Woche. Dafür wurde ein eigenes Onlinesystem entwickelt. Dieses soll im Vorfeld aus der Studierendendatenbank die Ansprüche jedes Ehemaligen ermitteln und die Anträge damit abgleichen. Die TU vermeidet so „anders als andere Hochschulen einen personellen und damit finanziellen Mehraufwand“, sagt Sprecherin Steffi Terp. Die TU bittet alle, die einen Antrag per Post eingereicht haben, diesen neu über die Webseite zu stellen. Sonst verlängere sich die Bearbeitung „relevant“.

Die Universität der Künste (UdK) beschäftigt zwei Kräfte auf Vollzeitstellen, um die Anträge abzuarbeiten: „In den ersten Monaten sind jeden Tag hunderte eingegangen“, sagt Anita Panknin, Leiterin des Referats für Studienangelegenheiten, insgesamt schon 1800. Das entspreche einem Volumen von etwa 716 000 Euro. Diejenigen Anträge, die bis Mitte März eingereicht wurden, nämlich 950, seien bereits abgearbeitet worden. Die UdK habe dafür 389 000 Euro ausgezahlt. Die Prüfung sei schon deshalb nicht leicht, weil die Daten dieser Kohorten anfangs nicht im PC gespeichert wurden. So müssen nun Akten aus dem Archiv geholt werden. Auch kompliziertere Einzelfallprüfungen seien nötig, wenn Ehemalige an mehreren Unis immatrikuliert waren.

Berlins größte Fachhochschule, die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), hat bis zum 17. Mai exakt 4 895 Anträge bekommen, erklärt Sprecherin Gisela Hüttinger. Das entspreche einem „Anspruchsvolumen“ von 1,8 Millionen Euro. Ausgezahlt worden sei noch nichts. Mit bis zu 26 000 Anträge rechne die HTW, das würde elf Millionen Euro kosten. Die HTW hofft, dass die Senatsverwaltung für Wissenschaft „zeitnah“ ihre Zusagen erfüllt und die Mittel überweist.

Bislang hat noch keine Hochschule Geld vom Senat bekommen. Die Senatsverwaltung kann sich auf Anfrage nicht äußern, die Sache müsste mit verschiedenen Stellen abgestimmt werden.

Die Beuth-Hochschule geht davon aus, dass der Senat die Summe an anderer Stelle wieder kürzen wird. „Das Geld wird den jetzigen Studierenden also fehlen“, sagt Präsidentin Monika Gross. Laut früheren Schätzung könnten für ganz Berlin bis zu 90 Millionen Euro zusammenkommen. Würden an der Beuth-Hochschule alle Berechtigten einen Antrag stellen, kämen rund fünf Millionen Euro zusammen, was zehn Prozent des Haushalts entspreche, sagt Gross. Die Hochschule und die Studierenden würden sich daher „über jeden Alumnus freuen, der seinen Antrag nicht stellt“.

Einige Hochschulen werben bereits darum, die Antragsteller sollten ihr Geld doch lieber spenden. An der TU kann man mit dem Betrag ein Deutschlandstipendium stiften. An der HU soll das Geld an den Verein Studentenrat der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät fließen. Der Verein will einen Stiftungsfonds aufbauen, aus dem Projekte für die Lehre bezahlt werden. „Die Spende ist auch steuerlich abzugsfähig“, heißt es auf der Webseite des Vereins: „Alle Spender erhalten also einen Teil ihrer Gebühr über ihre Steuererklärung zurück.“

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