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Vorlesungsreihe: Was dem Islam zur Moderne fehlt

Die Freiheitsbewegung in der arabischen Welt hat das Bild vom Islam in den westlichen Demokratien entscheidend verändert. Und doch bleiben Zweifel: Ist der Islam wirklich bereit für die Moderne? Eine öffentliche Vorlesungsreihe geht dieser Frage nach.

Auf dem Tahir-Platz haben die Demonstranten eigenhändig für Sauberkeit gesorgt. Mit ihren Besen fegten sie gleichsam das alte Regime hinweg. Tunesien, Ägypten, Jemen, Libyen: Gudrun Krämer, Professorin für Islamwissenschaft an der Freien Universität, ist fasziniert von den Bürgerbewegungen im arabischen Nahen Osten, dessen Geistes- und Kulturgeschichte sie seit Jahrzehnten erforscht. „Das sind Bewegungen, die ernsthaft freiheitliche Ordnungen wollen“, sagte Krämer jetzt zum Auftakt der öffentlichen Vorlesungsreihe „Islam kontrovers“.

Mit den Freiheitsbewegungen könnte das im Westen verbreitete Bild des Islam ins Wanken geraten, sagt Krämer. Tief verwurzelte Vorstellungen etwa davon, dass Muslime „passiv, irrational und dem Despotismus verhaftet“ seien, müssten infrage gestellt werden. Denn jetzt forderten die Menschen in der arabischen islamischen Welt den Rechts- und Verfassungsstaat – und nicht den islamischen Staat und die Scharia. Dass die Demonstranten keine antiwestlichen Parolen skandierten, sondern im Gegenteil Regierungsformen forderten, wie sie in den USA und Europa entstanden sind, deute zudem auf eine historische Wende hin. Der Prozess der Entkolonialisierung könnte abgeschlossen sein.

Sind die Muslime damit in der Moderne angekommen? Das Potenzial der gegenwärtigen Entwicklungen sei noch nicht absehbar, sagt Krämer. Jedenfalls sei die Demokratiebewegung noch nicht begleitet von reflexiver Traditionskritik – ein Merkmal der Moderne. Es müsse sich noch zeigen, ob sich tatsächlich „Felder für freies Denken und auch für abweichende Lebensentwürfe“ öffneten. Dass das Verlangen nach einem freiheitlichen Rechtsstaat mit engen Vorstellungen vom richtigen Leben nach Koran und Sunna nicht vereinbar seien, werde noch nicht diskutiert.

Welche Rolle die Koranauslegung in muslimischen Gesellschaften spielt, erklärt Johanna Pink (FU) am Montag, 2. Mai, um 18.15 im Hörsaal 2 der „Rostlaube“, Habelschwerdter Allee 45.

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