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Schlagabtausch. Hans-Olaf Henkel, Klaus Kinkel, Klaus von Dohnanyi und Dieter Lenzen (von links) diskutierten in Berlin mit Moderatorin Ulla Weidenfeld.

© Quant-Stiftung/Stickforth

Henkel, Kinkel und von Dohnanyi diskutieren: Was die Bildung braucht

Die Föderalismusreform bleibt streitbar: Der Bund soll es richten, meint Klaus Kinkel. Bloß nicht, sagen Hans-Olaf Henkel und Klaus von Dohnanyi.

Wenn es um die Bildung geht, begegnen Bund und Länder einander stets im Kampfanzug. Daran hat die Föderalismusreform vor vier Jahren nichts geändert, obwohl sie die Zuständigkeiten entwirrte: indem sie dem Bund Kooperationen mit den Ländern im Schulwesen verbot und seine Zuständigkeit für die Hochschulen teils beschnitt (beim Hochschulbau), teils auf solidere Füße stellte (mit Zustimmung aller Länder darf der Bund jetzt etwa massenhaft Studienplätze im Hochschulpakt schaffen).

Die Bundesregierung sieht sich aber trotzdem weiter gefordert, die Länder anzutreiben. Angela Merkel hat die Ministerpräsidenten auf mehrere „Bildungsgipfel“ eingeladen, damit sie mehr Geld für Bildung ausgeben. Zugleich kämpft der Bund wieder um mehr Macht in der Bildung. Bundesbildungsministerin Annette Schavan hat – zum Ärger der Länderchefs – schon mehrmals gesagt, das Kooperationsverbot in der Bildung müsse wieder fallen.

In dieser Gefechtslage luden die Quandt-Stiftung und der Konvent für Deutschland am Dienstagabend in Berlin zum Schlagabtausch ein. Die Rolle des an der „Kleinstaaterei“ der Länder Verzweifelten übernahm Klaus Kinkel, einst Bundesjustiz- und außenminister und nun Vorsitzender der Telekom-Stiftung, die sich im Bildungswesen engagiert: „Die Länder bremsen drei Gipfel der Kanzlerin. Die Länder machen was sie wollen!“, rief Kinkel. Er sei selbst „ein überzeugter Föderalist“ – der allerdings sehe, dass die Bildung für die Länder ein zu großes Thema ist. Finanziell seien sie davon hoffnungslos überfordert. Politisch zeichne sich der Bildungsföderalismus durch einen „Bildungsplansalat“ bei den Kitas, durch „3000 Lehrpläne in 16 Sätzen“ im Schulwesen sowie durch ständige Regierungswechsel mit neuen Schulreformen aus, „an denen Eltern und Kinder irre werden“. Vor allem seien die Länder nicht in der Lage, Qualitätsstandards so umzusetzen, dass in Deutschland „eine einigermaßen akzeptable Chancengleichheit existiert“. Kinkel schlägt eine „nationale Institution“ vor, die „subsidiär die Aufsichtspflicht“ über das Bildungswesen ausüben soll. Die föderale Schweiz lobte er für das 2006 nach einer Volksabstimmung geschaffene „Durchgriffsrecht“: Einigen sich die Kantone im Schulwesen nicht, kann der Bund entscheiden.

Klaus von Dohnanyi trat Kinkel vehement entgegen. Die Debatte um mehr Macht für den Bund in der Bildung müsse endlich aufhören: „Es ist eine zentrale Aufgabe politischer Aufklärung, die Irreführung der Bürger zu beenden.“ Die heutigen Missstände in der Bildung seien nicht etwa die Folge davon, dass der Bund seit ein paar Jahren nicht mehr in der Schule mitreden darf, sondern das Ergebnis seiner jahrzehntelangen Einmischung: „Die Verfassungsreform von 1969 hat sich nicht bewährt“, sagte Dohnanyi, der als Bundesbildungsminister unter Willy Brandt auch der erste Vorsitzende der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) war. Das Gremium wurde 1970 geschaffen, um dem Bund die Mitwirkung bei der Bildungsplanung zu ermöglichen, wurde wegen des Widerstands der unionsgeführten Länder aber bald unbedeutend und mit der jüngsten Föderalismusreform aufgelöst – zu Recht, wie Dohnanyi sagte: Die Verflechtungen mit dem Bund hätten dazu geführt, dass „das langsamste Schiff das Tempo bestimmte, es nur faule Kompromisse gab, Entscheidungen verzögert wurden und die klare Verantwortung fehlte“. Erst seit dem Ende der Bundeskompetenz hätten die „Länder keine Ausreden mehr“, die Pisa-Studien hätten einen echten föderalen Wettbewerb in Gang gesetzt. Diesen dürfe der Bund durchaus stimulieren: indem er „nachhaltigen Druck“ durch eigene Vorschläge und Initiativen auf die Länder ausübt, etwa in der Lehrerbildung, oder auch, indem er die Bundeswehrhochschulen nach dem Vorbild der Schweiz zu Konkurrentinnen der Länderunis ausbaut.

Eine Politik „am goldenen Zügel“ oder Deals, bei denen der Bund einzelne Länder für seine Maßnahmen „kauft“, dürfe es aber auf keinen Fall geben. Die Sorge, der Förderalismus könne das Qualitätsgefälle im Bildungswesen zwischen den Ländern verschärfen, treibt Dohnanyi nicht um: „Wer Föderalismus und zugleich gleiche Ergebnisse will, hat nicht nachgedacht.“

Das sieht auch Hans-Olaf Henkel so, wie Dohnanyi Mitglied des für den Föderalismus streitenden Konvent für Deutschland: „Gleichheit ist nicht das Ziel. Der Wohlstand der Gesellschaft basiert auf Spitzenleistungen“, sagte er. Eine dritte Föderalismusreform solle die Länder finanziell dazu in die Lage versetzen. Föderalismus bedeute dann „im Wettbewerb von den Besten zu lernen“. Dabei würden dann auch Schwächen sichtbar.

Der Erziehungswissenschaftler Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg, ist auch für Spitzenleistungen – aber flächendeckend: „Es darf keine Klitschen unter den Hochschulen geben, das Ziel muss sein, dass überall gleiche Qualität erzeugt wird.“ Mehr Föderalismus sei dabei so schädlich wie mehr Zentralismus: „Die Bildung leidet an der Politik als solcher.“

Kinkel sieht jedenfalls Bewegung in seinem Sinne: „Das Kooperationsverbot wird kippen.“ Alle Parteien seien sich einig, unter den Ländern leisteten nur noch Hessen und Baden-Württemberg Widerstand: Wenn dieser gebrochen sei, könne der Bund auch ohne Umgehung der Verfassung über „verkrampfte Partnerschaften“ Geld an Brennpunktschulen fließen lassen. Henkel und Dohnanyi hörten es mit Grauen.

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