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© promo/FU

Wechselgerüchte: Geht Lenzen von Bord?

Der Präsident der Freien Universität, Dieter Lenzen, wird als neuer Chef der Universität Hamburg gehandelt. Ein Selbstläufer dürfte seine Kandidatur dort aber nicht werden.

Will FU-Präsident Dieter Lenzen an die Spitze der Universität Hamburg wechseln? Schon vor drei Wochen hatte ein hochrangiger Wissenschaftsmanager hinter vorgehaltener Hand erklärt, Lenzen wolle die FU verlassen. Gegenüber dem Tagesspiegel dementierte Lenzen damals telefonisch – aus Hamburg. Nun bekommt das Gerücht Substanz: Lenzen werde als neuer Präsident der Universität Hamburg gehandelt, erfuhr die „taz“.

Der FU-Präsident widerspricht diesmal nicht. Seinen Sprecher ließ er lediglich mitteilen, er bekomme häufiger Angebote. Auch die Uni Hamburg dementiert nicht: Der Leiter der Präsidenten-Findungskommission, Albrecht Wagner, der auch Vorsitzender des Hamburger Hochschulrats ist, sagte auf Anfrage nur, er wolle Namen nicht kommentieren. Ein Sprecher von Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach ließ wissen: „Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen.“ Auch Professoren schweigen. „Ich sage gar nichts. Das ist topsecret“, sagt etwa die Psychologin Rosemarie Mielke und beendet danach sofort das Gespräch. Die Mitglieder der Findungskommission sollen sogar eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben haben, heißt es.

Die achtköpfige Findungskommission, die je zur Hälfte aus Mitgliedern des Hochschulrats und des Akademischen Senats besteht, sucht derzeit einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Monika Auweter-Kurtz, die im Juli nach internen Querelen zurückgetreten war.

Die Wahl wäre für Lenzen jedoch kein Selbstläufer. So könnte er einen oder zwei Mitbewerber haben, wie es der offizielle Fahrplan vorsieht. Diese sollen sich am kommenden Donnerstag dem Hochschulrat und dem Akademischen Senat in einer gemeinsamen Sitzung präsentieren. Noch am selben Tag soll dann zunächst der Hochschulrat den Präsidenten wählen. In den Tagen darauf muss der AS die Wahl bestätigen – ein Risiko für Lenzen sogar dann, wenn ihm eine Kampfkandidatur nicht zugemutet wird. Akademische Senate verschiedener Hochschulen haben in der letzten Zeit die Präsidentenwahl ihrer Kuratorien gekippt. So scheiterte jüngst der vom Hochschulrat der Uni Siegen zum Präsidenten gewählte Berliner TU-Vizepräsident Jörg Steinbach am Votum der Basis.

Angehörige der Freien Universität reagierten auf den möglicherweise bevorstehenden Verlust ihres Präsidenten überrascht. Lenzen ist seit 2003 Präsident der FU, er wurde 2007 für weitere vier Jahre wiedergewählt und hat die Universität unter die neun deutschen Elite-Universitäten geführt: „Zwar hat er seinen Zenit damit überschritten und sollte weggehen“, sagt ein hochschulpolitisch aktiver Professor, der anonym bleiben möchte. „Aber die Universität Hamburg ist doch ein herabgewirtschafteter Laden, der mindestens zwei Klassen unter Berlin und München liegt.“ Es sei rätselhaft, warum Lenzen sich die dort nötige „Aufbauarbeit noch mal zumuten möchte“.

Sollte Lenzen weggehen, „wäre das auf jeden Fall ein Verlust, der den gesamten Berliner Wissenschaftsstandort schwächt“, sagt ein Mitglied des FU-Kuratoriums, das der FU angehört. Schuld wäre der Senat: Lenzen habe angesichts der neuen Kürzungen keine Spielräume mehr, die FU weiterzuentwickeln: „Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner hat sich als unzuverlässig erwiesen.“

Auch Erich Thies, Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, glaubt, dass es ein Nachteil für Berlin wäre, sollte Lenzen nach Hamburg wechseln: „Das wäre für den Senat zwar zuerst bequem“, sagt Thies in Anspielung auf den ständigen Streit zwischen Lenzen und dem Wissenschaftssenator. Doch Lenzen habe sich „auch bundesweit ein großes politisches Gewicht erarbeitet“. Selbst wenn Lenzen nicht bei allen beliebt sei, genieße er doch Respekt für seine Leistung.

Auch Hajo Funke, Politikprofessor und für den linken „Dienstagskreis“ im Akademischen Senat, erkennt Lenzens Anteil am Erfolg der FU in der Forschung an. Und um eine Reform des Bologna-Prozesses habe Lenzen sich mehr bemüht als viele andere. Würde Lenzen tatsächlich nach Hamburg gehen, eröffne das aber auch „eine zweite Chance“, die mit seiner Amtszeit für die FU entstandenen „Gefahren anzugehen“. Funke, der bereits im Sommer mit anderen Professoren Lenzen eine zunehmende Zentralisierung der Macht an der FU vorgeworfen hatte, ist enttäuscht. Lenzen habe zuerst zwar den Eindruck vermittelt, er respektiere die Wünsche nach mehr Transparenz, Kommunikation und Mitbestimmung. Tatsächlich seien im Oktober aber neue Zielvereinbarungen von oben herab über die Fakultäten verhängt worden. Viele Professoren würden sich über die Forderungen des Präsidiums – etwa nach immer mehr Drittmitteleinwerbungen – ärgern. Funke vergleicht die FU mit einem Schiff: „Bekommt die Brücke zu viel Gewicht, droht es zu kentern.“ Ein Problem, eine adäquate Nachfolge für Lenzen aus den eigenen Reihen zu rekrutieren, kann Funke nicht erkennen: Es gebe zwischen 12 bis 20 Personen, die in Frage kämen, weil sie „hochexzellente Wissenschaftler“ sind, außerdem „im Alltag der Institutionen“ erfahren und zugleich noch jung sind.

Wer könnte Lenzen nachfolgen? Aus der FU ist zu hören, die Erste Vizepräsidentin, die Nordamerikanistin Ursula Lehmkuhl, habe durchaus noch weitere Ambitionen. Allerdings habe sie neben Lenzen bislang noch nicht eigenständig genug gewirkt, sagte ein Professor. Lehmkuhl wollte sich dazu nicht äußern. Aus Professorenkreisen war auch zu erfahren, beliebter als Lehmkuhl sei bei den Professoren der Germanist Peter André Alt. Er genieße „größte Wertschätzung“ und sei ein potenzieller „Lieblingskandidat“. Allerdings sei nicht sicher, ob der herausragende 49-jährige Wissenschaftler wirklich als Hochschulmanager zum „Blackberry Man“ werden wolle. Alt erklärte auf Anfrage, noch gebe es „keine Notwendigkeit, über die Nachfolge eines starken Präsidenten, der für die FU extrem wichtig ist und sein wird, zu diskutieren“. Sollte Lenzen tatsächlich gehen, „würde ich das sehr bedauern“, sagte Alt. „Wir brauchen ihn.“ Lenzen sei eine charismatische Persönlichkeit voller Kreativität, die das Ansehen der FU auch international gemehrt habe. Wenn Lenzen es nicht immer schaffe, genug zu kommunizieren, sei das mit Zeitmangel zu erklären. Dieserhabe zugenommen, seit er auch Vizepräsident der HRK ist. Die Sorge, die Uni könne sich im „Hochdruckwettbewerb auspulvern“, herrsche auch an anderen Hochschulen – nicht zuletzt als Folge des Elitewettbewerbs und knapper Ressourcen.

Was könnte Lenzen in Hamburg erreichen? „Der Lenzen würde die Uni Hamburg auf Vordermann bringen“, ist eine FU-Professorin überzeugt. Aus dem Umfeld der Uni Hamburg kommen skeptische Töne. Lenzen würde sich in eine ähnliche Situation wie Berlins Wissenschaftssenator bringen: „Zöllner hat Rheinland-Pfalz als souveräner Herrscher verlassen – und wird in Berlin demontiert.“ An der Uni gebe es keine Bereitschaft zur Veränderung.

„Lenzen kenne ich gar nicht“, sagt der Mediziner Jürgen Altenhoff, der für die wissenschaftlichen Mitarbeiter im Akademischen Senat sitzt. Seine Gruppe wünsche sich einen Kandidaten, der selber als Wissenschaftler aktiv ist „und kein Verwaltungsbeamter ist“. Er solle die Uni „mitnehmen“, sich auch gegenüber dem Senat durchsetzen können und sich in der Hamburger Politik auskennen.

Ein anderes AS-Mitglied sagt, der Kandidat müsse „integrativ wirken und wissen, wie Hamburg tickt“. Auweter-Kurtz war dabei schon an kulturellen Widerständen gescheitert. Die Hanseaten konnten den schwäbischen Dialekt und das Auftreten Auweters nicht akzeptieren. Diese Hürde dürfte Lenzen leicht nehmen: Dunkelblaue Blazer mit Goldknöpfen trägt er gern, in seiner Freizeit bereist er mit seinem Motorboot die Nordsee.

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