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Wissen: Weniger Neandertaler als gedacht

Den Begriff „Überbevölkerung“ kannten die Neandertaler wohl nicht. Adrian Briggs und Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig schließen das aus dem Erbgut unserer ausgestorbenen Verwandten.

Den Begriff „Überbevölkerung“ kannten die Neandertaler wohl nicht. Adrian Briggs und Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig schließen das aus dem Erbgut unserer ausgestorbenen Verwandten. Die DNS zeige nur sehr geringe Unterschiede zwischen Individuen, schreiben sie im Fachblatt „Science“. Das bedeute, dass es damals vermutlich nur wenig Neandertaler gegeben habe. Denn je größer eine Gruppe ist, desto mehr genetische Unterschiede sind zu erwarten.

Für ihre Studie untersuchten die Max-Planck-Forscher gemeinsam mit Kollegen aus verschiedenen europäischen Ländern die 40 000 bis 70 000 Jahre alten Fossilien von fünf Neandertalern aus dem Norden Spaniens, dem Neandertal in der Nähe von Düsseldorf, Kroatien und dem Süden Russlands. Aus den Mitochondrien, den „Kraftwerken der Zelle“, isolierten sie DNS, die sie dann miteinander verglichen. Ihr Ergebnis: Vermutlich gab es nur zwischen 268 und 3510 weibliche Neandertaler, die Omas wurden.

Insgesamt könnte es aber weit mehr Neandertalerfrauen gegeben haben, da bei Weitem nicht alle Frauen Oma werden. So könnte zum Beispiel die Kindersterblichkeit sehr hoch gewesen sein. „Eine unserer Proben stammt von einem im Alter von ein oder zwei Wochen verstorbenen Baby, eine zweite von einem ein- oder zweijährigen Neandertaler-Kind“, berichtet Adrian Briggs. Genaueres aber wissen die Forscher nicht. Daher können sie auch nicht sagen, wie viele Neandertaler damals insgesamt gelebt haben. Mehr als 100 000 aber dürften es kaum gewesen sein.

Die Forscher wissen auch nicht, ob es immer so wenig Neandertaler gab oder ob die Bevölkerung erst vor dem Aussterben kräftig abnahm. Allerdings findet Adrian Briggs in der mitochondrialen DNA relativ viele Veränderungen in den Erbgutabschnitten, die für Eiweiße codieren. Solche Änderungen können leicht gefährlich werden und zum Beispiel Erbkrankheiten auslösen. Deshalb verschwinden sie aus großen Populationen rasch wieder. „In kleinen Populationen aber können sich Veränderungen lange halten, die nur geringe Nachteile bringen“, erklärt Adrian Briggs. Möglicherweise gab es also lange nur wenige Neandertaler.

Allein ist die niedrige Bevölkerungszahl aber kaum für das Aussterben der Neandertaler verantwortlich. Weitere Faktoren wie der moderne Mensch als Konkurrent im selben Lebensraum oder besonders harsche Bedingungen zum Höhepunkt der Eiszeit dürften dazu beigetragen haben, dass die Neandertaler vor etwa 30 000 Jahren von der Erde verschwanden. Roland Knauer

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