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Wert-Sachen: Modelle

Hätte es die Modelle nicht gegeben, wäre es – mindestens für die fachfremden Sachpreisrichter – ziemlich schwierig geworden. Denn nur an den Modellen der Entwürfe für das Humboldt-Forum auf dem Schlossplatz, die die Mitarbeiter des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung mit bewundernswürdiger Präzision immer wieder in den Sitzungsraum des Preisgerichtes hereintrugen, konnte man sehen, wie ein Entwurf in seinem städtebaulichen Kontext wirken wird.

Hätte es die Modelle nicht gegeben, wäre es – mindestens für die fachfremden Sachpreisrichter – ziemlich schwierig geworden. Denn nur an den Modellen der Entwürfe für das Humboldt-Forum auf dem Schlossplatz, die die Mitarbeiter des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung mit bewundernswürdiger Präzision immer wieder in den Sitzungsraum des Preisgerichtes hereintrugen, konnte man sehen, wie ein Entwurf in seinem städtebaulichen Kontext wirken wird. Viele eingereichte Zeichnungen verzerrten notwendigerweise die Perspektiven. Um das Modell im Sitzungsraum, das vom Zeughaus bis zum Marx-Engels-Forum reichte, konnte man herumgehen und den jeweiligen Wettbewerbsbeitrag von allen Seiten betrachten.

Gottfried Wilhelm Leibniz, dessen Einsichten das künftige Humboldt-Forum mehr prägen, als dessen Name auf den ersten Blick vermuten lässt, war der Ansicht, dass nicht nur Architekturentwürfe, sondern alle Formen von Ideen Modelle brauchten, die man betrachten oder anfassen kann. Nur mit Modellen kann sich das Denken angesichts einer chaotischen Vielfalt von Phänomenen ordnen und die unübersehbare Fülle auf eine denkbare Größe reduzieren. Wer beispielsweise mit einem theoretischen Chemiker spricht, ahnt, dass es ohne Modellbildungen bestimmte Fortschritte der Wissenschaft gar nicht geben würde: Das Atommodell hatte zunächst den Status einer Hypothese, um dann zu einer bewiesenen Theorie zu werden.

Leibniz wusste aber auch, dass Modelle das Denken in einem negativen Sinne fesseln können. Wer sich einmal mit der Bedarfsplanung von Hochschulen für Studienplätze in den letzten vierzig Jahren beschäftigt hat, weiß, dass man sich bei der Modellbildung nicht nur schrecklich irren kann – indem man nämlich aus der unübersehbaren Fülle die falschen Dinge für sein Modell auswählt –, sondern überhaupt ganz falsch ansetzen kann. Und dann stehen plötzlich Hunderte in überfüllten Hörsälen. Wer nun modelliert in der gegenwärtigen Finanzkrise die künftige Wirtschaftsentwicklung zutreffend? Gute Modelle sind teuer. Und problematische Modelle haben fatale Folgen.

Offenkundig reichten die Modelle der erwartbaren Deformationen im Salzstock Asse bei Wolfenbüttel, die Technikwissenschaftler vor dreißig Jahren für die Ersteinlagerung von schwach radioaktivem Abfall in der Grube lieferten, für diesen Zweck nicht aus. Jüngst bemerkte ein Kollege sogar: „Das sind hilflose Versuche, etwas zu modellieren, was bei der Unüberschaubarkeit der Einflussgrößen und Reaktionszeiten nicht modellierbar ist.“ Erst dann, wenn ein Modell leistet, wozu es entwickelt wurde, wird es zu einer Wertsache.

Der Autor ist Kirchenhistoriker und schreibt an dieser Stelle jeden dritten Montag über Werte, Wörter und was uns wichtig sein sollte.

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