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Prognose ungewiss. Ob der Sommer wieder in die Stadt kommt?

© dapd

Wettervorhersagen: Das Würfelspiel der Meteorologen

Schon heute das Wetter im Sommer zu kennen - ein Traum? Jahreszeitenprognosen sind möglich, haben aber Tücken.

Nach der österlichen Fröstelei freuen sich viele Berliner auf den Sommerurlaub. Für die Planung wüssten sie gerne, wie das Wetter sein wird – ob in Deutschland oder an einem Reiseziel im Ausland. Tatsächlich geben einige meteorologische Zentren Jahreszeitenvorhersagen heraus. Bei der Interpretation muss man aber in Kauf nehmen, dass die Prognose ziemlich schwammig ist.

„Normalerweise haben wir bei Wettervorhersagen ein Limit von 15 Tagen“, sagt Franco Molteni, Meteorologe am Europäischen Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersage (EZMW) in Reading nahe London, das von 34 europäischen Staaten finanziert wird. Für längere Zeiträume, zum Beispiel Monate, ist eine auf den Tag genaue Prognose prinzipiell nicht möglich. Dafür ist die Atmosphäre zu vergesslich und chaotisch.

Trotzdem können Meteorologen manchmal für die nächsten Monate eine Tendenz zu wärmeren oder kälteren, feuchteren oder trockeneren Bedingungen angeben. Das funktioniert, weil das Wetter auch von den Meerestemperaturen oder der Feuchtigkeit des Bodens beeinflusst wird. Und diese Faktoren ändern sich viel langsamer als die Atmosphäre, haben also ein besseres Gedächtnis. Nur darum ist eine Jahreszeitenvorhersage überhaupt machbar.

Das EZMW berechnet zusätzlich zu kürzeren Zeiträumen Vorhersagen für die nächsten sieben Monate, erzählt Molteni. Das habe mit El Niño zu tun, dem Warmwasserphänomen im Pazifik. El Niño lasse sich bis zu sieben Monate vorhersagen und sei der verlässlichste Faktor für die Jahreszeitenprognosen. Zu Beginn des letzten Winters herrschte zum Beispiel La Niña, das Gegenteil von El Niño. Mehrere Wetterzentren rechneten darum mit einem milden Winterbeginn in Europa, und sie behielten recht. Inzwischen liegt die Temperatur im Pazifik aber in dem Bereich zwischen La Niña und El Niño. Das macht zurzeit alle Jahreszeitenvorhersagen unscharf.

Wie zuverlässig sind die Prognosen für Mai oder Juni?

Molteni berichtet, nur selten sei die Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen einer Jahreszeitenvorhersage in Europa größer als 60 Prozent. So eine Prognose können Normalbürger kaum sinnvoll verwerten: Wer würde auf eine 60-prozentige Chance vertrauen, dass der August besonders sonnig wird und darum früh ein Grillfest arrangieren? Momentan liegen selbst die Wahrscheinlichkeiten von Prognosen für den Mai oder Juni in Deutschland unter der 60-Prozent-Schwelle, vom Sommer zu schweigen.

Der März wäre beinahe ein Rekordmonat geworden. Bilder vom warmen Frühlingsanfang:

Die große Unsicherheit hält viele Wetterzentren davon ab, Jahreszeitenprognosen an die Öffentlichkeit weiterzureichen. Die Fachleute wurden auch durch Pleiten abgeschreckt. Der britische Wetterdienst kündigte zum Beispiel 2009 mutig einen „barbecue summer“ an. Doch der Sommer wurde kühl und verregnet.

Das Problem mit den Wahrscheinlichkeitsaussagen kennt auch Anthony Barnston, Chefprognostiker des International Research Institute for Climate and Society (IRI) in Palisades, Bundesstaat New York. Das Institut ist Teil der Columbia-Universität. Auf der IRI-Webseite kann jedermann Karten für das Wetter der kommenden Monate abrufen.

Statt die Jahreszeitenvorhersagen an die große Glocke zu hängen, gibt das EZMW sie an die einzelnen Wetterdienste in den europäischen Ländern weiter. Die machen verständliche Produkte daraus, die vorwiegend von behördlichen und kommerziellen Kunden genutzt werden. Immerhin steigt die Zahl der Nutzer stetig. „Von den Vorhersagen können Abnehmer profitieren, die den Wahrscheinlichkeitscharakter der Aussagen verstehen“, sagt Molteni. Ein Energieversorgungsunternehmen könne zum Beispiel das Brennstofflager seines Kraftwerks auffüllen, sobald sich abzeichne, dass der Strombedarf durch die Klimaanlagen im kommenden heißen Sommer hoch ausfallen könnte. Solche Maßnahmen zahlen sich auf Dauer selbst dann aus, wenn die Prognose in einem Drittel der Fälle danebenliegt.

In tropischen Ländern hingegen ist es viel wahrscheinlicher, dass eine Jahreszeitenvorhersage eintrifft. Dort ist El Niños Einfluss wesentlich größer. Für Bauern etwa eignet sich eine sechsmonatige Prognose der Regenfälle, um den Anbau an Dürre oder Nässe anzupassen.

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