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Volltreffer. Aus einem spanischen Schiff, das einst von der britischen Marine versenkt wurde, hat eine US-Firma 2008 Münzen im Wert von 500 Millionen Dollar geborgen. Der Rechtsstreit mit dem spanischen Staat beschäftigt bis heute die Gerichte. Foto: akg/North Wind Picture Archives

© akg/North Wind Picture Archives

Wissen: Wettlauf um Goldschätze am Meeresgrund

Spanien streitet sich mit kommerziellen Unterwasserarchäologen um einen wertvollen Münzfund – ein Fall mit historischen Parallelen

Handelt es sich bei einem antiken Münzschatz, der aus dem Meer geborgen wurde, um Kulturgut? Wenn es so wäre, müssten die Schätze in ein Museum gebracht, wissenschaftlich dokumentiert und dauerhaft ausgestellt, nicht aber zugunsten der Staatskasse eingeschmolzen werden, sagt Wolfgang Fischer-Bossert. Der international renommierte Berliner Numismatiker vertritt die nur vordergründig ketzerische Meinung, dass man technisch gleichartige antike Dukaten oder Ochoreales, wenn sie denn zu Tausenden vorliegen, „getrost auf dem Sammlermarkt verkaufen kann – nur sollte man dann nicht von Kulturgut reden.“

In dieser Zwickmühle spielt sich aktuell ein Streit zwischen dem spanischen Staat und einer amerikanischen Schatzsucherfirma ab, der jetzt wieder ein Gericht in Florida beschäftigt: Die amerikanische Firma Odyssey Marine Exploration (OME) hat aus einem antiken Schiffswrack vor der spanischen Küste einen Münzschatz im Wert von 500 Millionen Dollar geborgen – und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion 2008 in die USA ausgeflogen. Prompt nannte der damalige spanische Kultusminister Cesar Antonio Molina dies Diebstahl von spanischem Kulturgut. OME-Chef Greg Stemm sieht das naturgemäß anders: „Was ist dagegen zu sagen, wenn man Wissenschaft und Business verbindet – das machen doch auch Mediziner oder Chemiker so.“

Stemm will nicht mit den schnöden, nur kommerziellen Unterwasser-Schatzjägern verglichen werden; er sieht sich eher auf der Seite der Archäologen: „Wir können leisten, was Behörden oder Museen allein nie leisten könnten. Eine Unterwasserexploration kann bis zu 40 Millionen Dollar kosten. Das bringt keine Regierung auf“, sagte er in einem Interview mit der britischen Tageszeitung „The Times“. Um den Vorwurf der Plünderung antiker Wracks zu entkräften, hat Stemm immer Unterwasserarchäologen mit an Bord.

Die Rechtslage für Unterwasserarchäologie ist eine internationale Grauzone: Wer hat Anspruch auf einen gehobenen Unterwasserschatz? Der Finder, die Nachfahren des ehemaligen Schiffseigners, das Land, aus dem das Schiff kam oder das Land, in dessen Hoheitsgewässern das Wrack gefunden wurde? Spanien begründet seinen Anspruch auf den 500-Millionen-Schatz mit einem stolzen Namen: Nuestra Señora de las Mercedes y las Animas. Die Behörden in Madrid sind sich sicher, dass Greg Stemm die Münzen aus den Überresten der spanischen Galeone mit diesem Namen geholt hat, die 1804 von der britischen Marine in der Bucht von Cadiz – mithin auf spanischem Territorium – auf den Meeresgrund geschickt wurde. Mit dem Schiff gingen 200 Mann und Unmengen von Gold- und Silbermünzen aus den südamerikanischen Kolonien Spaniens unter.

Die „Mercedes“ war nur eines von abertausenden Schiffen, mit denen die wertvolle Beute aus Übersee in die Alte Welt geschafft wurde. Welcher Gewinn über die drei Jahrhunderte der Kolonialzeit tatsächlich nach Spanien verschifft wurde, ist nicht mehr zu beziffern. Zumal internationale Piraten und die britische Marine ungezählte Handelsschiffe ausraubten oder versenkten. Portugal, die damalige zweite Kolonialmacht in Südamerika, verzeichnete innerhalb von nur drei Jahren den Verlust von 120 Brasilienschiffen. Doch selbst wenn sie Karibikpiraten und britischer Marine entkommen waren, konnten die Eigner noch immer durch höhere Gewalt ein Großteil des Gewinns einbüßen.

Als der stets klamme spanische König Karl I. (Kaiser Karl V.) im März 1535 erfuhr, dass vier Schiffe aus Peru, beladen mit Gold und Silber in Spanien erwartet werden, teilte er seinem Großzahlmeister in Sevilla mit: „Angesichts der ernsten Situation, in die Wir Uns gestellt sehen und der einmalig günstigen Gelegenheit, durch Gold und Silber aus diesen ankommenden Schiffen rasch Abhilfe schaffen zu können, haben Wir Uns entschlossen, Gold und Silber aus diesen Schiffen im Wert von etwa 800 000 Dukaten unseren Zwecken zuzuführen, beim Gold jedoch nur die größeren Posten von 400 Pesos aufwärts, ebenso beim Silber.“ Der spanische König konfiszierte damit 2,8 Tonnen Gold – nach dem aktuellen Goldpreis lenkte er so 130 456 774 US-Dollar in die königliche Kasse um.

Die spanischen Amtsträger von heute sprechen nicht von Geld, sondern von kulturellem Erbe auf dem Meeresgrund – das ist freilich Goldes wert. Nach Schätzungen des Unterwasserarchäologie-Museums in Cartagena werden zwischen 500 und 800 Schiffwracks allein im Golf von Cadiz vermutet. „In der Bucht von Cadiz liegt mehr Gold auf dem Meeresgrund als in den Tresoren der spanischen Nationalbank“, mutmaßt der Archäologe und Münzexperte Manuel Martin Bueno von der Universität in Saragossa. Wie viele der Schiffwracks aus den spanischen Kolonialzeiten zwischen 1500 und 1800 stammen, ist ungewiss.

Da soll eine jetzt gestartete Suchaktion der spanischen Marine an der West- und Südküste bis zur Meerenge von Gibraltar etwas mehr Klarheit bringen. Die Aktion mit vier Kriegsschiffen inklusive Minensuchbooten mutet nach den offiziellen Bekundungen allerdings halbherzig an, denn mit den technisch hochgerüsteten Schatzschürfern von Odyssey werden die amtlichen Sucher nicht mithalten können. Greg Stemm hat weltweit 3000 Schiffwracks dokumentiert, vom phönizischen Handelsschiff bis zum U-Boot aus dem Zweiten Weltkrieg. Für sich pickt er die schatzträchtigsten Fundstellen raus und kann die Aktionäre seiner Firma offenbar gut bedienen: Der Verkauf der 50000 Münzen aus dem amerikanischen Raddampfer Republic – 1865 gesunken, 2003 geborgen – erbrachten 25 Millionen Dollar. Der Wert der Geldstücke aus der nun umstrittenen Mercedes wird auf 500 Millionen Dollar taxiert.

Doch es geht noch besser: 2008 entdeckten die OME-Schatzsucher das Wrack der „Victory“. Das Flaggschiff des britischen Admirals Balchen sank 1744 im Ärmelkanal. Nach den historischen Berichten hatte das Schiff einen Vier- Tonnen-Goldschatz aus 100 000 Münzen an Bord, der unwidersprochen auf eine Milliarde Dollar geschätzt wird. Greg Stemm hat mit der britischen Regierung ein Abkommen geschlossen: Die Firma zahlt alle Explorations-, Bergungs- und Restaurierungskosten und erhält dafür bei Funden bis 500 Millionen Dollar die Hälfte, bei Werten darüber nur noch 40 Prozent.

Der größte Coup aber liegt noch auf dem Meeresgrund. Die amerikanischen Unterwasserarchäologen mit dem ausgeprägten Sinn für Gewinn glauben das Wrack der „Sussex“ gefunden zu haben, aus dem Schlick irgendwo bei Gibraltar geborgene Kanonen hätten sie identifiziert. Das Flaggschiff der britischen Kriegsmarine ging 1694 in einem Sturm unter. Es war in geheimer Mission unterwegs und soll zehn Tonnen Gold und 100 Tonnen Silber an Bord gehabt haben. Damit wollte der britische König William III. den Herzog von Savoyen bewegen, am Krieg gegen den französischen Sonnenkönig Ludwig XIV. teilzunehmen.

Spanien blockiert weitere Bergungsarbeiten mit der Begründung, das Wrack liege auf iberischem Territorium. England sieht das anders, Greg Stemm wartet ab: „Die Sussex schwimmt uns nicht davon.“ Der Wert der Sussex-Ladung wird auf vier Milliarden Dollar geschätzt. Das täte der spanischen Finanzbilanz sicher sehr gut – oder handelt es sich etwa um hehres Kulturgut?

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