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Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.

© Privat

Wiarda will’s wissen: Die Besten aus den USA einladen

In San Francisco beschäftigt sich die deutsche Wissenschaft zu sehr mit sich selbst - und versäumt, Talente aus den USA effektiv anzusprechen, meint unser Kolumnist.

Heute Morgen dürfte auf den Transatlantikflügen, die von der US-Westküste nach Europa unterwegs sind, auffällig viel Deutsch gesprochen werden. Die deutsche Wissenschaftselite befindet sich auf der Rückreise. Gestern ist sie zu Ende gegangen, die 17. GAIN-Jahrestagung, bei der 500 Deutsche in einem Hotel in San Francisco drei Tage lang über Exzellenzstrategie, Tenure Track und Karrierechancen an Fachhochschulen diskutiert haben.

GAIN steht für „German Academic International Network“, laut Selbstbeschreibung handelt es sich um ein „Netzwerk für deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Nordamerika“, doch wer deshalb eine Graswurzelbewegung vermutet, irrt. Hinter der Initiative stehen drei Tanker der staatlichen Wissenschaftsförderung, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, der Deutsche Akademische Austauschdienst sowie die Alexander von Humboldt-Stiftung, und ihr erklärtes Ziel lautet: die zumeist jungen Forscher auf die Rückkehr nach Deutschland „vorzubereiten“.

Wissenschaftsstrategen tauschen Insider-Infos aus

Allerdings hat sich die GAIN-Tagung auch zu einem Forum der Beschäftigung der eigens angereisten Hochschulrektoren, Forschungslenker und Politiker mit sich selber entwickelt. Fernab der Heimat habe man noch Zeit, in Ruhe miteinander ins Gespräch zu kommen, schwärmen sie. Und so kommt es vor, dass zu Mittag an einem Tisch hoffnungsfrohe Postdocs sitzen, während am nächsten die Wissenschaftsstrategen Deals bereden oder Insider-Infos austauschen. Immerhin: Bei der Talentmesse, der digital angebahnten Kontaktbörse oder den vielen Podien kommen die Jungen mit den Alten dann doch in intensive Gespräche.

Mit Spannung war vor der diesjährigen Tagung erwartet worden, ob sich das Werben um die Gunst des Nachwuchses mit kriegsgewinnlerischen Untertönen vermischen würde nach dem Motto: Je stärker US-Präsident Trump die Wissenschaft mit Füßen tritt, desto strahlender stehen wir in Deutschland da. Bis auf grenzwertige Ausnahmen (Humboldt-Präsident Helmut Schwarz nannte Trump einen „Trottel“) beherrschte jedoch eine angenehme Zurückhaltung die Reden. Die USA seien ein herausragender Wissenschaftsstandort und würden es bleiben, sagte etwa Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bundesforschungsministerium. Dies liege auch im deutschen Interesse.

Die Besten einladen - unabhängig von ihrer Herkunft

Also alles fein? Nicht ganz. GAIN sieht sich zunehmend mit einer existentiellen Herausforderung konfrontiert: Ist es in einer globalisierten Wissenschaftswelt noch angemessen, auf einer größtenteils deutschsprachigen Veranstaltung in Nordamerika fast ausschließlich um Deutsche zu werben? Oder lässt sich das teure Schaulaufen künftig nur rechtfertigen, wenn man die besten Nachwuchswissenschaftler in den USA, unabhängig von ihrer Herkunft, einlädt – und zwar nicht für ein paar Stunden, sondern für die ganze Tagung? Die Antwort liegt auf der Hand. Die Frage ist, ob die Chefs bereit sind, Hand anzulegen an ihren so lieb gewordenen Klassenausflug.

Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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