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Religion und Wissenschaft. Ein hawaiianischer Tempel auf dem Vulkan Mauna Kea in mehr als 4200 Meter Höhe. Im Hintergrund Teile des Observatoriums.

© Mauritius/Rolf Schulten

Widerstand gegen Super-Fernrohr auf Hawaii: Mega-Teleskop auf heiligem Berg

Proteste militanter Ureinwohner verzögern den Bau eines 30 Meter großen Teleskops auf Hawaii.

Von Rainer Kayser, dpa

König Kalakaua von Hawaii hatte einen Traum: Ein solches Teleskop wünsche er sich auch für seine Heimat, sagte der Monarch 1881 anlässlich seines Besuchs der berühmten Lick-Sternwarte in den USA. Sein Traum ist Wirklichkeit geworden. Auf dem Mauna Kea, mit 4200 Metern der höchste Berg des Pazifik-Archipels, befindet sich heute das größte astronomische Observatorium der Welt. Insgesamt 13 Teleskope sind dort untergebracht, darunter die beiden Keck-Teleskope mit ihren zehn Meter großen Spiegeln.

Beste Bedingungen für Sterngucker weltweit

„Die Bedeutung dieser Sternwarte gilt es auch für die Zukunft zu erhalten“, sagt Rolf Kudritzki. Als Direktor des Instituts für Astronomie der Universität von Hawaii hat Kudritzki zehn Jahre lang für seinen Traum gekämpft: mit dem 30-Meter-Teleskop TMT eine weltweite Führungsposition des Observatoriums zu sichern. Dank seiner Lage mitten im Ozean bietet der Mauna Kea die weltweit besten Beobachtungsbedingungen. Mit seiner gigantischen lichtsammelnden Spiegelfläche könnte das TMT die ersten Sterne und Galaxien aufspüren, die nach dem Urknall entstanden sind. Und mit seiner immensen Bildschärfe wäre es vielleicht sogar in der Lage, Leben auf Planeten bei anderen Sternen nachzuweisen.

Doch der Zeitplan zum Bau des 1,4 Milliarden Dollar teuren Fernrohr-Giganten gerät ins Wanken. Aktivisten aus den Reihen der indigenen Bevölkerung haben den bereits für März geplanten Beginn der Arbeiten mit Straßenblockaden und anderen Protestaktionen vorerst verhindert. Der Mauna Kea sei, so behaupten sie, den Ureinwohnern heilig. Die Astronomen hätten dort bereits viel Unheil angerichtet. Zwar hat David Ige, der Gouverneur von Hawaii, die Rechtmäßigkeit des TMT-Baus bestätigt. Aber er hat die Universität zu einem rücksichtsvolleren Umgang mit der Gipfelregion aufgefordert.

Unabhängiges Komitee wacht über Kultur und Ökologie

Proteste gegen das Observatorium gibt es seit Langem, und sie waren nicht immer grundlos. Gerade in der Anfangszeit der Sternwarte – das erste Teleskop ging dort 1968 in Betrieb – war von Umweltschutz, Nachhaltigkeit und kultureller Rücksichtnahme noch nicht die Rede. Doch das hat sich inzwischen geändert. Über kulturelle und ökologische Belange der Gipfelregion wacht heute ein von den Astronomen unabhängiges Komitee.

Und auch beim Bau des TMT wollten die Himmelsforscher alles richtig machen. „An den Planungen haben wir von Beginn an Ökologen und Vertreter der indigenen Bevölkerung beteiligt“, stellt Kudritzki fest. Nicht zuletzt deshalb soll das 30-Meter-Teleskop nicht auf dem höchsten Punkt des Gipfels errichtet werden, sondern auf einem tieferen Plateau. Trotz seiner Größe ist der kuppelförmige Schutzbau für das Fernrohr weder von historisch bedeutsamen Stätten auf dem Berg noch von nahen Orten aus sichtbar.

Widerstand gegen "illegale Besetzung Hawaiis durch die USA"

Ein tragfähiger Kompromiss schien gefunden, besiegelt durch eine traditionelle hawaiianische Zeremonie beim „ersten Spatenstich“ für das TMT im Oktober 2014. Doch für die Astronomen überraschend formiert sich seither eine neue, deutlich militanter auftretende Protestbewegung. Die Wurzeln des neuen Widerstands liegen tiefer als bisherige ökologische und kulturelle Bedenken. „Wir schützen unseren heiligen Berg, weil wir gegen die fortbestehende illegale Besetzung Hawaiis durch die USA kämpfen“, sagt Kalani Flores, einer der Wortführer.

Astronomie hat bei pazifischen Völkern Tradition

Um ihre wirtschaftlichen Interessen zu schützen, putschten 1893 US-amerikanische Farmer gegen die letzte hawaiianische Königin Liliuokalani. Fünf Jahre später annektierten die USA die Inselgruppe. „Natürlich ist damals Unrecht geschehen“, sagt Kudritzki. „Aber heute für die Unabhängigkeit Hawaiis einzutreten ist illusorisch.“ Innerhalb eines Jahrhunderts hat sich die Einwohnerzahl Hawaiis verzehnfacht – überwiegend durch Einwanderung. So können heute nur noch zehn Prozent der Einwohner Hawaiis auf indigene Vorfahren zurückblicken.

Und selbst in dieser Gruppe findet die strikte Ablehnung des TMT nur wenig Zustimmung. Die Mehrheit der Hawaiianer polynesischer Abstammung sucht wie einst König Kalakaua eine Synthese aus Tradition und Moderne. Der Monarch leitete einerseits eine Renaissance des traditionellen Hula-Tanzes ein, andererseits schuf er ein modernes Bildungssystem. Und Astronomie hatte für die Menschen im pazifischen Inselreich immer eine besondere Bedeutung: Es waren die Sterne, die den Seefahrern den Weg über die Weiten des Ozeans wiesen.

"Das Fernrohr ist unser Kanu"

Diese Kunst wird in der indigenen Bevölkerung noch heute geschätzt. Chad Kalepa Baybayan zählt zu den bekanntesten Navigatoren Hawaiis, mit dem traditionellen Doppelrumpf-Kanu Hokulea ist er bis nach Tahiti und Japan gesegelt. Er ist ein entschiedener Befürworter des Teleskop-Projekts. Wie einst die polynesischen Kilo hoku, die Sternenbeobachter, versuchen heute die Astronomen, mit diesem Wissen die Geheimnisse des Universums zu ergründen. Für Baybayan ist es deshalb passend, ein großes Teleskop auf dem heiligen Berg zu errichten.

Auch der Wahl-Hawaiianer Kudritzki sieht das Observatorium im Einklang mit der Tradition: „Damals entdeckten die Menschen mit ihren Kanus neue Welten im Pazifik, heute entdecken wir mit unseren Teleskopen neue Welten im All. Das Fernrohr ist unser Kanu.“

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