zum Hauptinhalt

Wissen: Wissen, was Wissen ist

Rostocker Foscher untersuchen in der neuen Profillinie Wissen – Kultur – Transformation an der Interdisziplinären Fakultät Wissenskulturen und ihren Wandel.

Wissen „an sich“ gibt es nicht. Wissen wird von Menschen gemacht und zu solchem erklärt: Kulturen bringen „ihr“ Wissen hervor, verändern es und werden „kopflos“, wenn sie nichts über das Wissen wissen.

Was ist Wissen wert, was ist wissenswert, wie ist Wissen verteilt und wie zugänglich ist es? Diese grundsätzlichen Fragen verbinden Kulturwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Soziologie. Nimmt man dann die Vielfalt vergangener und aktueller Wissenskulturen in der Welt in den Blick, kommen weitere Wissenschaftsdisziplinen hinzu, ohne die sich der Zusammenhang von „Wissen – Kultur – Transformation“ nicht untersuchen lässt.

Die Zuständigkeit für Wissen und Wissensbereiche wird seit der Antike immer wieder neu verhandelt: Was steht wo (Buch oder Internet?), wer lehrt und forscht was (Monopol der Kirche, Fächerkanon der Universität oder ökonomische Schwerpunktsetzung), wer muss und darf wovon wie viel wissen (auch Frauen, auch Arbeiterkinder?) – über Wissen lässt sich streiten.

Weil das Phänomen „Wissen“ nur interdisziplinär umfassend untersucht werden kann, hat die Universität Rostock im Jahr 2010 ein einschlägiges neues Department für ihre Interdisziplinäre Fakultät gegründet. Ziel ist es, interdisziplinäre Forschung zu institutionalisieren und neue Kreuzungspunkte zu schaffen, um so die Potentiale der Universität besser zu vernetzen und effektiver zu machen. Rückenwind geben 14 Doktorandenstipendien, die Land und Universität für drei Jahre finanzieren. Wir führen Perspektiven aus Germanistik und Romanistik, Politologie und Soziologie, aus Geschichtswissenschaft und Medizingeschichte, Theologie und Anglistik, Pädagogik, Informatik und Philosophie zusammen. 56 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehören dem Forschungsverbund an.

Sichtbar wird Wissen nicht nur in der Computertomographie von Hirnarealen, sondern auch als Wissenskultur. Kultur stellt die Werte, Normen, Hierarchien und Formen bereit, die Information zu Wissen machen. Von solchen Normen hängt auch ab, wer welches Wissen anstrebt, wem welches Wissen nahegelegt, wem es gar verboten wird: Latinum in der Hauptschule? Mädchen in die Elektrotechnik? Macht Wissen glücklich?

Wenn Kulturen sich verändern – zum Beispiel durch neue Medientechniken –, hat das auch Auswirkungen auf das, was als „wissenswert“ beziehungsweise als „Wissen“ gilt: Wissensbestände erscheinen anders, oder aber gar nicht mehr. Das ist in manchen Fällen schade, in anderen gut so. „Altes“ Wissen kann aber auch zum Impuls für neues Wissen werden, etwa durch Nutzung anderer Vermittlungsmedien oder durch Übersetzung. Zur Überlebensstrategie einer Wissenskultur gehört es auch, Wissen zu selektieren. Wir sind beim Wissenserwerb immer zugleich oder alternativ auf Aussortieren und Speichern angewiesen.

Wissenskulturen bringen Versuche hervor, Wissen zu messen. So zum Beispiel die PISA-Studie oder bei der Neubesetzung von Professuren: Welcher der 100 Bewerber weiß am meisten, wie wägt man ihre Publikationslisten gegeneinander ab? Oder erweist sich Wissen nicht in solchen Listen, sondern nur im intellektuellen Streit? Wenn ja, wo findet dieser dann statt? In inszenierten TV-Expertengesprächen? In Forschungsmagazinen? Oder doch an der Uni?

Von wem Wissen definiert und gedeutet wird, zwischen wem es umstritten ist und mit was es in Konkurrenz tritt, ist ein hochaktuelles interdisziplinäres Forschungsfeld, das in Rostock systematisch und exemplarisch bearbeitet wird.

Stephanie Wodianka ist Sprecherin des Departments und Professorin für französische und italienische Literaturwissenschaft.

Professor Martin Rösel ist stellvertretender Sprecher, der Theologe lehrt Hebräisch und Altes Testament.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false