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Engagiert. Aus Begeisterung für ihr Fach wollen Promovierte trotz fehlender Perspektiven häufig an der Uni bleiben.

© dpa

Wissenschaftlicher Nachwuchs: Prekariat statt Professur

Nachwuchswissenschaftler leiden unter befristeten Verträgen. Gesetzesinitiativen der Opposition wollen das ändern. Gleichzeitig hat Nordrhein-Westfalen eine Initiative für faire Arbeit an den Unis im Bundesrat gestartet.

Wer in Deutschland promoviert, macht fast immer Karriere. Es sei denn, er bleibt in der Wissenschaft. Das geht aus einem Bericht zur Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland hervor, den unabhängige Bildungsforscher am Donnerstag in Berlin dem Bundesbildungsministerium übergeben haben. Für den Bericht haben die Forscher Studien aus den vergangenen zehn Jahre ausgewertet und dabei besonders auf die Berufsperspektiven Promovierter geschaut.

Das Ergebnis klingt zunächst positiv. „Promovieren lohnt sich“, sagt Anke Burkhardt vom Institut für Hochschulforschung in Halle-Wittenberg, die die Berichterstattung geleitet hat. Promovierte verdienen überdurchschnittlich viel und sitzen oft in Leitungsfunktionen. „Dafür nehmen die meisten die schweren Promotionsjahre in Kauf.“ Das gilt zumindest für die 80 Prozent, die nach der Promotion nicht an der Universität oder an Forschungsinstituten bleiben. Denn ausgerechnet dort ist die Lage prekär: Fünf von sechs wissenschaftlichen Mitarbeitern sind nach der Promotion befristet angestellt, oft mit extrem kurzen Laufzeiten.

Das Hauptproblem bei der Befristung sei die Postdoc-Phase, sagt Anke Burkhardt. Dann schafften es die Nachwuchswissenschaftler entweder, eine der raren Professuren zu bekommen, „oder man weiß mit 40 nicht, wohin“. Das Leistungsprinzip, mit dem diese Auslese gerne begründet wird, hält Burkhardt für illusorisch. „Meistens entscheidet der Zufall darüber, wer einen Ruf bekommt“, etwa wenn ein Fachbereich ausgebaut werde.

Der Bericht zeigt, das sich Nachwuchswissenschaftler oft jahrelang von einem befristeten Vertrag zum nächsten hangeln. Zwar dürfen sie nur sechs Jahre vor und sechs Jahre nach der Promotion auf Zeit anstellt werden. Mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz von 2007 wollte die große Koalition die Unis zwingen, ihren promovierten Nachwuchs schnell fest anzustellen. Das Gegenteil trat ein. Das Sonderarbeitsrecht, das wegen der vielen Drittmittelstellen erfunden wurde, hat dazu geführt, dass Vertragslaufzeiten immer kürzer werden. Teilweise sind es nur wenige Monate.

Regierung und Opposition kritisieren diese Praxis einhellig. Krista Sager, Wissenschaftssprecherin der Grünen sieht eine „gefährliche Entwicklung“. Auch die Staatssekretärin des Wissenschaftsministeriums, Cornelia Quennet-Thielen, sagte: „Wir sind uns einig, dass wir planbare Karrieren brauchen.“ Die Verantwortung dafür sieht sie bei den Hochschulen. „Die gesetzlichen Möglichkeiten für eine faire Befristung sind da, die Unis müssen sie nur anwenden.“ Als positive Beispiele nennt Quennet-Thielen die Universität Bremen, die sich dazu verpflichtet hat, Verträge mit wissenschaftlichen Mitarbeitern, die promovieren, für mindestens drei Jahre abzuschließen. Sie verwies zudem auf Juniorprofessuren und Stipendien, mit denen Postdocs laut Bericht erfolgreich gefördert werden.

Gesetzentwürfe von SPD und Grünen - und aus Nordrhein-Westfalen

Der SPD und den Grünen im Bundestag geht das nicht weit genug. Die Fraktionen wollten am Donnerstag im Bundestag einen Änderungsentwurf zum umstrittenen Zeitvertragsgesetz einbringen. Das nordrhein-westfälische Bildungsministerium will dazu am 3. Mai einen eigenen Gesetzesantrag im Bundesrat einbringen. Die Initiativen ähneln sich. Sie fordern Mindestlaufzeiten für wissenschaftliche Arbeitsverträge, etwa eine Kopplung von Doktorandenstellen an die tatsächliche Qualifikationszeit. Außerdem soll die Tarifsperre wegfallen, die bislang keine Ausnahmeregelung bei Zeitverträgen zulässt. „Die Koalition weigert sich konsequent, die Missstände in der Wissenschaft abzustellen“, sagt der stellvertretende Sprecher für Bildung und Forschung der SPD im Bundestag, Swen Schulz. Der SPD-Antrag sei „nicht weltstürzend“, er habe aber gleichwohl „keine große Hoffnung, dass sich die Koalition bewegt“.

Tankred Schipanski, CDU-Mitglied im Bundestagsausschuss für Bildung und Forschung, lehnt den Vorschlag der SPD ab. Er verweist auf die Aufstockung des Hochschulpakts auf sieben Milliarden Euro. Bis 2018 könnten die Länder damit wissenschaftliche Stellen sicher einplanen. „Die Ausrede, Verträge auf ein Jahr zu befristen, gilt jetzt nicht mehr.“ Auch eine Lockerung der Tarifsperre im Zeitvertragsgesetz hält er für unnötig. In den Landeshochschulgesetzen sei die Bezahlung von Wissenschaftlern ausreichend geregelt.

Die forschungspolitische Sprecherin der Linken, Petra Sitte, befürchtet, dass „die Aussicht auf ein Dasein in beruflicher Unsicherheit Hochqualifizierte aus unseren Universitäten vertreibt“. Der Bericht bestätigt das nicht: Viele Promovierte wollen trotz der prekären Lage an der Uni bleiben, weil sie ihre Arbeit schätzen. Der Spaß an der Theorie kompensiert nicht selten die fehlenden Aufstiegschancen, sagt Anke Burkhardt.

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