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Ein Student sitzt in einem Schaufenster auf einem Bett.

© picture alliance / dpa

Wohnungsnot vor Semesterbeginn: Studenten auf die Couch

Vor dem Semesterstart fehlen vielerorts preiswerte Wohnungen und Wohnheimplätze. Doch trotz der Intervention des Bundesverkehrsministers ist ein Bund-Länder-Programm nicht zustande gekommen.

Mit öffentlichen Aktionen machen Studierende vor Semesterbeginn auf die Wohnungsknappheit aufmerksam. In Münster verbrachte der 26-jährige Student Fabian Sauer Ende August einen Tag und eine Nacht im Schaufenster eines Kaufhauses, um potenzielle Vermieter zu gewinnen (Foto). In Aachen stellten Studierende der Initiative „Extraraum“ sich selbst in ihrer Studierendenbude im Bett und am Schreibtisch auf dem Marktplatz aus. „Extraraum“ hat auch in grenznahen Orten in Belgien und Holland Zimmer für Kommilitonen gefunden. Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsministerin Svenja Schulze appelliert an die Bürger, an Studierende unterzuvermieten.

Nordrhein-Westfalen und Hessen müssen in diesem Herbst doppelte Abiturjahrgänge unterbringen, doch angespannt ist die Lage bundesweit in den großen Uni-Städten. 25 000 Plätze in Studentenwohnheimen fehlen nach Schätzungen des Deutschen Studentenwerks (DSW). Denn in kaum anderthalb Jahrzehnten wuchs die Studierendenzahl von 1,7 Millionen auf 2,5 Millionen. Die Zahl der öffentlich geförderten Wohnheimplätze stieg kaum, sie liegt bei 230 000.

Auch auf der Warteliste des Berliner Studentenwerks stehen „deutlich mehr“ Bewerber als vor einem Jahr, nämlich 1100, damals waren es knapp 900, sagt Jürgen Morgenstern, der Sprecher des Berliner Studentenwerks. Im vergangenen Jahr gab es bereits 160 145 Studierende in Berlin, also 17 000 mehr als noch im Jahr 2010. In diesem Herbst ist ein neuer Rekord zu erwarten. In Berlins 35 Wohnheimen gibt es 9446 Plätze – das entspricht einer Versorgungsquote von 6,5 Prozent (Bundesschnitt zehn Prozent). Noch 2010 lag Berlins Versorgungsquote bei 7,4 Prozent.

Studierende könnten auf Hotelschiffen oder in Kasernen wohnen, hat Bundesbauminister Peter Ramsauer im Juni an seinem Runden Tisch zur Lösung der studentischen Wohnungsnot angeregt. Rechtzeitig zum Semesterbeginn im Oktober will die SPD im Bundestag nun wissen, was seitdem geschehen ist: „Wie viele Hotelschiffe sind nach Kenntnis der Bundesregierung in welchen Hochschulstädten … angemietet worden“, „in welchen Kasernen der Bundeswehr … sind wie viele Wohnungen für Studierende geschaffen worden“?, fragt sie.

Ramsauers Runder Tisch zeigt keine Wirkung

Natürlich kann Helge Braun, der Parlamentarische Staatssekretär bei Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU), in seiner Antwort weder auf eine neue Flotte von studentischen Hotelschiffen noch auf neue Unterkünfte in Kasernen oder sonst wo verweisen, schon weil seit der Anregung Ramsauers erst wenige Wochen vergangen sind. Dass sein Runder Tisch noch Wirkung zeigen wird, zeichnet sich allerdings auch nach Meinung des DSW nicht ab. „Reale Effekte“ seien nicht zu erwarten.

Der einzige Plan, den es zur Umwidmung einer Kaserne in ein Wohnheim gegeben habe, nämlich einer Kaserne in Darmstadt, sei inzwischen „gecrasht“ – dieser Plan sei im übrigen auch lange vor Ramsauers Engagement gefasst worden. Die von Ramsauer ebenfalls erhoffte Mobilisierung privater Investoren zeitige ebenfalls keine Effekte – Private seien schon länger auf dem studentischen Markt mit „hochpreisigen Angeboten“ aktiv.

Das Studentenwerk hätte sich gewünscht, dass die Bundesregierung die 518 Millionen Euro, die sie den Ländern nach der Föderalismusreform kompensatorisch für den sozialen Wohnungsbau gezahlt hat, auch ab 2014 noch zweckgebunden fließen lässt – und davon einen Anteil für studentisches Wohnen ausweist. Doch im Juli fällte die Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten den Beschluss, dass die Mittel fortan für alle Investitionen verwendet werden können. Die Hoffnung des DSW, Bund und Länder könnten sich in ihren jüngsten Verhandlungen über den Hochschulpakt für mehr Studienplätze auch auf zusätzliche Milliarden für die soziale Infrastruktur einigen, wie es die Opposition im Bundestag fordert, erfüllte sich ebenfalls nicht. Aus Sicht der Bundesregierung sind allein die Länder zuständig für die Studierendenwohnheime, Ramsauers Runder Tisch habe sie dafür sensibilisiert, teilt Staatssekretär Braun mit.

Sehr viel mehr Studierende, kaum mehr Wohnheimplätze

Tatsächlich wollen inzwischen mehrere Länder neue Plätze schaffen, etwa Berlin, Hessen, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen werden aktiv. Als Musterland, das den Bau besonders gut fördert, gilt Bayern. Aber bis die Lage sich dadurch entspannt, wird noch viel Zeit vergehen. Während die Zahl der Studierenden zwischen 2010 und 2012 um fast 13 Prozent stieg, nahm die Zahl der Wohnheimplätze nur um 1,67 Prozent zu, wie aus der Antwort auf die Kleine Anfrage hervorgeht.

Auch in Berlin wird es noch lange dauern, bis die vom Senat angekündigten 5000 neuen Wohnheimplätze entstanden sind. Das Berliner Studentenwerk geht aber davon aus, dass für die wohnungssuchenden Studierenden auch in diesem Semester keine Notunterkünfte errichtet werden müssen: „Die Leute schlafen dann lieber auf einer Couch von Freunden als in der Turnhalle“, berichtet Morgenstern von Erfahrungen aus den achtziger Jahren in West-Berlin.

In Berlin kann man auch einen Wohncontainer mieten

Er empfiehlt den Wohnungssuchenden, Kontakte mit Kommilitonen zu nutzen, die vielleicht einen freien Platz in einer WG anbieten können. Auf der Seite des Studentenwerks gibt es die Rubrik „Woanders wohnen“ mit Wohnraumbörsen und Links zu den städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Im privaten „Studentendorf Plänterwald“ sollen im Oktober die ersten Seecontainer bezugsfertig sein, für 349 bis 399 Euro im Monat, Interessenten können sich vormerken lassen (siehe Tsp vom 19. Juli).

Die Chancen auf ein günstiges Zimmer beim Studentenwerk (199 Euro) steigen, wenn die Bewerber sich auch mit unifernen Randlagen anfreunden können, in denen mehr als die Hälfte der Berliner Heimplätze liegt, sagt Morgenstern. Hier sei schon ab drei Monaten Wartezeit ein Platz in Reichweite. Wer in Kreuzberg wohnen will, muss 40 Monate warten.

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