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Süßes Holz. Das erste Xylit wurde aus Birkenrinde gewonnen.

© picture alliance / dpa-tmn

Zucker aus Birkenrinde: Süßer Nenas Botschaft nie klinget

Der Austauschstoff Xylit soll angeblich von der Zucker-„Abhängigkeit“ befreien. Doch wer zu viel Xylith oder Sorbit isst, bekommt Bauchweh, Durchfall und Blähungen.

Die Meldung war eine Punktlandung in der Vorweihnachtszeit: Allerorten werden gerade Vanillekipferl in Puderzucker gewälzt, Zimtsterne vorsichtig mit weißer Glasur bestrichen und Schoko-Nikoläuse aus Stanniolpapier befreit. Doch die Sängerin Nena gab bekannt, dass sie ihren Kindern und Enkeln statt des üblichen Haushaltszuckers lieber Süßigkeiten mit dem Zuckeraustauschstoff Xylit serviert. Jeder wisse schließlich, dass Zucker eine „legale Droge“ sei und in die Abhängigkeit führen könne, sagte die 52-Jährige.

Doch was ist Xylit – und inwiefern ist es der Saccharose (Rohrzucker) vorzuziehen, aus der der übliche Industriezucker besteht? Es ist kein Zufall, wenn viele zuerst an ein Instrument aus dem Bereich der Orff’schen Schulmusik denken, sobald sie den Begriff hören. Denn wie das Xylofon wurde Xylit in den ersten Jahren aus Holz hergestellt: Der deutsche Chemiker Emil Fischer zog den „Holzzucker“ Ende des 19. Jahrhunderts aus Birkenholzrinde. Heute wird der natürliche Zuckeralkohol meist aus Glukose gewonnen, die ihrerseits aus Maisstärke stammt. In ganz geringen Mengen findet sich Xylit auch in vielen Frucht- und Gemüsesorten.

Anders als Süßstoffe wie Saccharin und Aspartam, mit denen sich viele den Kaffee süßen, und anders als die erst kürzlich in der EU zugelassene kalorienfreie „Wunderwaffe“ Stevia enthalten Xylit und sein Verwandter Sorbit, die sich oft zusammen in zuckerfreien Süßigkeiten finden, Kalorien. Allerdings ist der Nährwert gegenüber Haushaltszucker deutlich geringer. Ein Patentrezept gegen Gewichtsprobleme sind weder Süßstoffe noch Zuckeraustauschstoffe: Denn auch sie munden besonders gut in Speisen, die außerdem Fett enthalten.

Womit die Zuckeraustauschstoffe besonders punkten können, ist ihr freundliches Verhalten gegenüber dem Zahnschmelz. Deshalb sind sie vor allem in „zahnpflegenden“ Kaugummis beliebt. Mitte der 70er Jahre belegten zwei Studien von der Universität im finnischen Turku, dass Xylit, anders als normaler Zucker, keine Karies verursacht und möglicherweise sogar hilft, Zahnschmelz wieder aufzubauen. Offensichtlich mögen Karius und Baktus kein Xylit: Das Kariesbakterium Streptococcus mutans kann sich von dem Zuckeraustauschstoff nicht ernähren.

Was vor Zahnschmerzen bewahrt, kann andererseits zu starkem Bauchweh führen. Denn die Zuckeraustauschstoffe werden vom menschlichen Dünndarm kaum aufgenommen und ziehen als osmotisch aktive Substanz Wasser an sich. Vor allem wer in größeren Mengen sorbithaltige Kaugummis kaut, muss deshalb mit Durchfall und starken Blähungen rechnen. Vor vier Jahren haben Magen-Darm-Spezialisten der Charité im „British Medical Journal“ von Patienten berichtet, die unter unerklärlichen Durchfällen und starkem Gewichtsverlust litten. Erst nach etlichen aufwendigen Untersuchungen stellte sich heraus, dass sie täglich bis zu 20 zuckerfreie Kaugummis gekaut hatten. Ein Hinweis darauf, dass Zuckeraustauschstoffe „süchtig“ machen können? Nicht unbedingt.

Dieser Vorwurf wäre auch dem handelsüblichen Zucker gegenüber ungerecht. „Zucker ist keine Droge, sondern ein Bestandteil des Organismus, ohne den insbesondere das Gehirn nicht arbeiten könnte“, stellt Joachim Spranger klar, Ernährungsmediziner an der Charité. Nicht umsonst produziere die menschliche Leber Glukose. Seinen Durst mit Softdrinks zu stillen, ist trotzdem keine gute Idee: Ein Liter Cola enthält 40 Stück Würfelzucker. Kalorien, die man in Windeseile hinunterstürzen kann, Energie, die schnell ins Blut geht und starke Blutzuckerschwankungen verursacht. „Softdrinks spielen bei krankhaftem Übergewicht eine wichtige Rolle“, sagt Spranger.

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