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Verwandt. Die Urahnen der modernen Pferde sind ausgestorben. Ihre Verwandten, die Przewalski-Pferde, leben heute nicht nur in Zoos, sondern auch wieder in freier Wildbahn.

© Vera Warmuth

Züchtung: Gar nicht mehr wild

Vor etwa 6000 Jahren zähmten die Bewohner der westeurasischen Steppe erstmals Pferde. Seitdem sind sie aus der Geschichte der Menschen nicht wegzudenken.

Ganze Königreiche wurden mit ihrer Hilfe gegründet und zerstört, Äcker bestellt und abgeerntet, Handel getrieben und ferne Städte bereist. Bis zur Erfindung der Dampfmaschine waren Pferde aus der Geschichte der Menschheit nicht wegzudenken. Bislang konnten sich Wissenschaftler jedoch nicht auf ein Szenario einigen, wann und wo sich der Mensch darauf besann, Pferdestärken für seine Zwecke zu nutzen.

Ein internationales Forscherteam um die Zoologin Vera Warmuth von der Universität Cambridge bringt nun die gegensätzlichen Thesen in einem Modell zusammen. Wie die Wissenschaftler im Fachjournal „PNAS“ schreiben, haben vor etwa 6000 Jahren Menschen in der heutigen Ukraine und in West-Kasachstan erstmals Wildpferde gezähmt. Das stimme mit den archäologischen Funden aus der Gegend überein. Auch für die Befunde aus den Genanalysen haben sie eine Erklärung: Da die Pferde anfangs nur schwer zu züchten waren, wurden die Herden immer wieder mit wilden Stuten aufgefüllt. Das sei vermutlich einfacher gewesen, als wilde Hengste an den Menschen zu gewöhnen.

Gerade Genanalysen ließen bisher gegensätzliche Interpretationen zu: Das Erbgut auf dem Y-Chromosom der modernen Hengste ähnelt sich sehr. Das spricht dafür, dass die Domestizierung in einer bestimmten Region und mit wenigen Linien begann. Sahen sich Wissenschaftler das Erbgut aus den Mitochondrien an, so bot sich ein anderes Bild. Die mitochondriale DNS, die nur über die Mütter weitergegeben wird, ist äußerst vielfältig. Sie legt den Schluss nahe, dass Menschen in unterschiedlichen Regionen unabhängig voneinander auf die Idee kamen, aus dem Pferd ein Nutztier zu machen. Das Modell von Warmuth und ihren Kollegen berücksichtigt nun beides.

Die Forscher suchten zunächst alle 100 Kilometer Ortschaften in acht Ländern Eurasiens aus. Von Litauen über Russland bis in die Mongolei sammelten sie anschließend DNS-Proben von 322 einfachen Hauspferden, die keiner bestimmten Rasse angehörten.

Mithilfe der so gewonnenen Daten konnten sie zeigen, dass sich die heute ausgestorbenen Wildpferde – Equus ferus – vor etwa 160 000 Jahren von Osten aus Asien und Europa erschlossen. Das bestätige die These, dass die Wildpferde von Amerika aus über die Behringstraße eingewandert sind. 154 000 Jahre blieben sie dort unbehelligt. Dann fingen die Menschen in der westeurasischen Steppe an, sie zu zähmen – eine Praxis, die sich nach und nach ausbreitete.

„Proben in dieser Zahl und Vielfalt zusammenzutragen, ist eine Leistung“, kommentierte Arne Ludwig vom Berliner Institut für Zoo- und Wildtierforschung die Studie. Wichtig sei vor allem, dass die primitiven asiatischen Hauspferde im Mittelpunkt standen – und nicht die modernen Züchtungen.

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