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Neue Zeiten? Unipräsidenten, die sich weniger Wettbewerbe um die Finanzierung von Forschung und Lehre gewünscht hatten, könnten enttäuscht werden.

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Exklusiv

Zukunft der Wissenschaft: Elitewettbewerb für immer und für alle

Der Wissenschaftsrat denkt über die Zukunft des Wissenschaftssystems nach. Diskutiert wird unter anderem, die Exzellenzinitiative für die Fachhochschulen zu öffnen und bis zu 250 "Merian-Professuren" zu schaffen, die Bund und Länder gemeinsam finanzieren.

Deutschland soll langfristig über Studiengebühren nachdenken, der Bund soll das Bafög allein finanzieren, die Exzellenzinitiative wird fortgesetzt und für Fachhochschulen geöffnet. Diese Vorschläge für einen „Zukunftspakt 2022“ von Bund und Ländern macht der Wissenschaftsrat. Beschlossen ist noch nichts, die Vorschläge finden sich in einem vertraulichen Entwurf, über den das Gremium vom kommenden Mittwoch an in erster Lesung beraten will.

Die Vorschläge der Experten aus Bund, Ländern und aus der Wissenschaft werden mit Spannung erwartet. Schließlich geht es um viele Milliarden Euro und um Ideen für große Weichenstellungen. Im Juli will der Wissenschaftsrat seine Empfehlungen präsentieren – gerade noch früh genug, um den Koalitionsvertrag der nächsten Bundesregierung beeinflussen zu können. Diese muss sich bald mit den Ländern über Perspektiven für die Wissenschaft einigen. Die großen Milliardenprogramme laufen aus: Im Jahr 2015 der Pakt für Forschung und Innovation, der den außeruniversitären Organisationen zehn Jahre lang erhebliche Etatzuwächse verschaffte, 2017 die Exzellenzinitiative für die Unis und 2020 der Hochschulpakt, mit dem hunderttausende neuer Studienplätze geschaffen werden. Eine Revolution plant der Wissenschaftsrat offenbar nicht, aber Stoff für Debatten bietet der Entwurf. So hat das Gremium sich bisher wegen der unterschiedlichen Auffassung seiner Mitglieder aus der Politik in der Studiengebührenfrage zurückgehalten. Nun, da sie in Deutschland gänzlich abgeschafft wurden, bringen die Experten sie neu ins Spiel, eine „radikale Infragestellung der Finanzierungsgrundsätze des Wissenschaftssystems“ sei „erforderlich“.

Der Exzellenzwettbewerb soll in modifizierter Form fortgesetzt werden. Bisher wurden die „Eliteunis“ für die Umsetzung ihrer Zukunftskonzepte über fünf Jahre gefördert. Unipräsidenten, die sich die Wettbewerbe nun in größeren Zeitabständen von zehn Jahren gewünscht hatten, könnten enttäuscht werden, sollte das Papier politische Realität werden: Empfohlen wird nun ein Rhythmus von sechs Jahren. Auch Fachhochschulen sollen sich beteiligen. Alle zwei Jahre soll eine Hochschule sich wieder bewerben dürfen. Allerdings erklärt der Wissenschaftsrat, sich vom bisherigen Wettbewerbs-Charakter der Exzellenzinitiative verabschieden zu wollen. Der Wettbewerb sei zwar „hochgradig außenwirksam, aber auch aufwendig und mit Blick auf die ,Verlierer’ nicht unproblematisch“. Doch ein Wettbewerb ist ein Wettbewerb – wie das in der geplanten Konkurrenz um Zukunftskonzepte umgangen werden soll, bleibt im Nebel. Bestenfalls könnten unspektakuläre Summen ausgelobt werden. Jedenfalls formuliert der Entwurf das Ziel, Deutschland solle mittelfristig zwei bis fünf Spitzenuniversitäten auf die vorderen Plätze internationaler Rankings bringen. Die Benennung von „Bundesuniversitäten“ lehnt das Gremium dabei ab.

Der Wettbewerb um Exzellenzcluster soll weitergehen

Insgesamt soll es in Deutschland 20 bis 25 forschungsstarke Universitäten geben. Die übrigen sollen sich auch durch andere Aufgaben profilieren. Schon jetzt tun sich Hochschulen mit ähnlichem Profil zu eigenen Interessengruppen zusammen (wie die „TU 9“ der großen technischen Universitäten oder die „German U15“ der Unis mit medizinischen Fakultäten). Um in diesem Prozess nicht überflüssig zu werden, empfiehlt der Wissenschaftsrat der Hochschulrektorenkonferenz, selbst Untergruppen einzuführen. Die großen Exzellenzcluster, in denen Forscher interdisziplinär zusammenarbeiten, sollen ebenfalls über sechs Jahre gefördert werden. Schon bestehende Cluster können sich wieder bewerben. Für Cluster, die dauerhaft etabliert werden sollen, schlägt der Wissenschaftsrat auch das von ihm erfundene Format der „Liebig-Institute“ vor, benannt nach dem Chemiker Justus Liebig. Liebig-Institute sollen den Universitäten den Betrieb „von überregional bedeutenden Forschungsinfrastrukturen“ ermöglichen. Das Präsidium, dem die Institute direkt zugeordnet sein sollen, soll die Letztentscheidung über Berufungen haben. 50 Liebig-Institute könnten entstehen, die Kosten werden auf jährlich 250 bis 400 Millionen Euro beziffert.

Die Graduiertenschulen, die mit dem Exzellenzwettbewerb für Doktoranden eingerichtet wurden, sollen nicht mehr in einem Bund-Länder-Programm weitergefördert werden. Die dafür eingesetzten Mittel sollen nach dem Auslaufen der Exzellenzinitiative an die DFG fließen und von ihr für die Nachwuchsförderung ausgegeben werden. Die Universitäten und ihre Sitzländer sollen die Finanzierung selbst übernehmen. In den kommenden zehn Jahren sollen mindestens 200 bis 250 „Merian-Professuren“ an Hochschulen eingerichtet werden. Benannt nach der Naturforscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian sollen sie besonders gut ausgestattet sein und dauerhaft von Bund und Ländern finanziert werden. Um Wissenschaftler mit Management-Aufgaben zu professionalisieren, schlägt der Wissenschaftsrat ihre Ausbildung in „Führungsakademien“ vor. Die Schieflage zwischen den Hochschulen und den außeruniversitären Organisationen soll beendet werden. Zukünftige finanzielle Zuwächse bei den Außeruniversitären sollen an einen Aufwuchs der Grundmittel der Hochschulen in gleicher Höhe gekoppelt sein. Der Max-Planck- und der Fraunhofer-Gesellschaft empfiehlt der Wissenschaftsrat „mit Nachdruck“ eine Schärfung ihrer Profile. Kritischer äußert er sich zur Leibniz-Gemeinschaft, deren Positionierung im Wissenschaftssystem zu klären sei. Der Helmholtz-Gemeinschaft empfiehlt er mehr Wettbewerb, zudem sollten Bund und Länder „Rolle und Funktion“ von Helmholtz „einer Evaluation unterziehen“.

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