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Mittendrin. Dank Holografie kann ein leidlich perfektes Abbild des Körpers an jeden beliebigen Ort transportiert und dort wieder „zusammengesetzt“ werden. Bekannt wurde die visionäre Technik vor allem durch Sciencefiction-Filme, wie hier in „Star Wars: Episode III - Die Rache der Sith“ (USA 2005, Regie: George Lucas).Foto: Lucasfilm/Cinetext Bildarchiv

© Lucasfilm/Cinetext Bildarchiv

Wissen: Zum Greifen nah

Schnelle Holografie: Ein Bildschirm auf Polymerbasis erneuert 3-D-Projektionen alle zwei Sekunden

Menschen in weiter Ferne, deren dreidimensionales Bild mitten im Wohnzimmer steht. Konferenzen, bei denen die internationalen Teilnehmer alle zu Hause bleiben, aber virtuell und lebensecht im gleichen Raum diskutieren. Ärzte, die an einem Körper operieren, der sich am anderen Ende der Welt befindet. Solche Visionen von holographischen Projektionen, die im Kino seit dem ersten „Star Wars“-Film 1977 begeistern, sind in der Realität nun ein Stück näher gerückt. Amerikanische Forscher präsentieren ein holographisches Display auf Kunststoffbasis, das sein Bild alle zwei Sekunden erneuert. Das ist mehr als hundertmal schneller als bisherige Techniken. Zudem kann das Display seine Bilder auch in Farbe zeigen und der Zuschauer benötigt, anders als bei Pseudo-3-D-Techniken wie im Kino, keine speziellen Brillen, um den Effekt wahrzunehmen.

Mit dieser Entwicklung haben es die Forscher in der Fachzeitschrift „Nature“ sogar zur Titelgeschichte gebracht (Band 468, Seite 80). Sie legt die Grundlage für neue Anwendungen in der Telemedizin und der Prototypen-Industrie, aber auch bei Werbung, Navigationssystemen und in der Unterhaltungsindustrie.

„Dieser Fortschritt bringt uns ein Stück näher an das Ziel realistischer holographischer Telepräsenz mit 3-D-Bildern hoher Auflösung in voller Farbe und Menschengröße, die von einem Teil der Welt in den anderen geschickt werden können“, sagt Nasser Peyghambarian, Leiter des Projekts an der Universität von Arizona und Direktor des Engineering Research Center for Integrated Access Networks (CIAN) der nationalen US-Forschungsorganisation. Gemeinsam mit Hauptautor Pierre-Alexandre Blanche und Forschern der Firma Nitto Denko Technical Corp. entwickelte Peyghambarian die neue Bildschirmtechnik. Grundlage des Displays ist ein lichtbrechendes Polymer, das mithilfe eines einzelnen Lasers „beschrieben“ wird. Auf dieser Basis hatte das Team bereits 2008 einen Prototypen entwickelt, der seine Bilder allerdings nur einfarbig zeigte und nur alle vier Minuten erneuern konnte.

Holographie kann Objekte in drei Dimensionen wiedergeben, indem sie die Originale zunächst mithilfe eines Lasers abtastet. Die Bildinformationen – statt von „Pixeln“ wie im zweidimensionalen Bild spricht man hier von „Hogeln“ – werden in die Phasen und Amplituden des Lichts zerlegt und samt räumlicher Anordnung an ein entferntes Ziel weitergeleitet. Dort werden diese Informationen auf einem Trägermaterial, wieder mithilfe von Lasern, erneut zusammengesetzt. Damit sieht der Betrachter sowohl die Intensität als auch die Fronten der Lichtwellen so, als werde das Licht direkt vom Original in seine Augen gestreut. Bewegt man sich vor dem Bildschirm hin und her, so sieht man auch das abgebildete Objekt aus verschiedenen Perspektiven.

Solche realistischen Bilder zu erzeugen, ist seit einigen Jahren möglich. Dafür werden etwa Silberhalid-Filme verwendet. Für dynamische, sich möglichst in Echtzeit verändernde Bildsequenzen, fehlten bisher jedoch die Rechenpower – und ausreichend flexible Materialien. Denn in der Regel waren die Hologramme, sobald sie „beschriftet“ waren, dauerhaft verändert.

Nicht so das von Peyghambarian und seinem Team entwickelte Kunststoff-Display. Hier befindet sich ein Polymer als dünne Schicht zwischen zwei Glasplatten, die je mit einer transparenten Elektrode versehen sind. Bei angelegtem elektrischen Feld wird das Material dann mithilfe eines Lasers beschrieben. Grundlage ist das dreidimensionale Bild, das in der Versuchsanordnung der Forscher mit 16 Kameras erzeugt wurde, die im Sekundentakt Gesichter oder Modellfahrzeuge fotografierten. Ein Computer hat daraus dann die Hogel berechnet und über ein Netzwerk zum Display geschickt.

Diese Informationen setzt ein Laserstrahl um: Er erzeugt und verschiebt Ladungen innerhalb der Molekülstruktur. Je nachdem, wo die Lichtenergie absorbiert wird und sich negative beziehungsweise positive Ladungen bewegen, entstehen helle beziehungsweise dunkle Bereiche. Das einfallende Licht wird an diesen Stellen anders gebrochen als vom Rest des Materials – ein Bild wird sichtbar. Der Vorgang lässt sich durch erneutes Verschieben der Ladungen rückgängig machen, der Brechungsindex an jener Stelle kehrt wieder zu seinem Ausgangswert zurück.

Das alles geht wahnsinnig schnell: Zum Beschreiben werden Laserpulse benutzt, die nur sechs Milliardstel Sekunden lang sind. Zudem entwickelten die Forscher eine Technik, um mit einem einzelnen Laserpuls 100 Hogel zugleich auszurichten. Ein Hologramm, das etwa 10 mal 10 Zentimeter misst, umfasst rund 10 000 Hogel. Da der Laser 50-mal pro Sekunde feuert, benötigt er also zwei Sekunden, um das Hologramm komplett zu aktualisieren. „Quasi-Echtzeit“-Holografie nennen es die Wissenschaftler selbstbewusst.

Ein Blinzeln geht zwar schneller, auch sind die Displays der Forscher mit einer Bildschirmdiagonale von bis zu 30 Zentimetern nicht gerade gewaltig. Aber vielleicht dauert es gar nicht mehr so lange, bis man aufs Flugzeug verzichten und per 3-D-Holografie Bekannte am anderen Ende der Welt besuchen kann.

Dörte Saße

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