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Zytologie: Minimuskeln gehen schwimmen

Künstliche Herzstücke können greifen, sich winden und pulsieren.

Herzmuskelzellen von Ratten wurden auf der Oberfläche eines Polymers gezüchtet. Der so entstandene Film kann zucken, greifen und pulsieren wie ein richtiger Muskel.

Forscher hoffen, daraus eines Tages Stücke herstellen zu können, mit denen ein durch Krankheit geschädigtes Herz repariert werden kann; die Technologie könnte jedoch auch in winzigen Robotern zum Einsatz kommen.

Die dünnen Filme wurden von Adam Feinberg und seinen Kollegen von der Harvard Universität entwickelt. Auf ein dünnes Stück Plastik (Polydimethylsiloxan) trugen sie in mehreren Reihen ein Protein namens Fibronektin auf, das den natürlichen Wundheilungsprozess unterstützt. Darauf wurden dann Herzmuskelfasern von Ratten platziert, die entlang des Proteins in einer festgelegten Richtung wuchsen. "Dadurch wachsen alle Muskelzellen in eine bestimmte Richtung", sagt Feinberg, "damit sie sich auch in eine Richtung zusammenziehen."

Der entstandene Film verhält sich genau wie normale Herzmuskelfasern, er kontrahiert sowohl selbstständig als auch aufgrund eines Stromstoßes.

Der Film kann leicht bearbeitet und mit dem Skalpell zurecht geschnitten werden, doch er muss feucht gehalten werden, um zu überleben, mit der richtigen Mischung von Elektrolyten und Nährstoffen.

Schwimmende Formen

Feinberg und Kit Parker, ebenfalls aus Harvard, wollten die Muskelfasern ursprünglich zu therapeutischen Zwecken züchten, doch Feinberg entdeckte die Möglichkeit, die Filme als Mikromaschinen einzusetzen, nachdem er bemerkte, wie stark sie sich biegen, wenn die Muskelzellen kontrahieren. "Es war offensichtlich, dass sie sehr lebensecht waren", sagt er.

Ein rechteckiges Stück des Materials biegt und streckt sich mit den Kontraktionen. Daher hat Feinberg ein Stück Film geschaffen, das greifen kann, und eines, das wie eine motorisierte Sprungfeder wirkt. Er fand heraus, dass ein dreieckiges Stück sich mit den Kontraktionen vorwärts schiebt, es schwimmt praktisch in der Lösung.

Das Team merkt an, dass derartige Formen möglicherweise helfen könnten, die Schwimmbewegungen ausgestorbener Tiere wie dem Basilosaurus zu simulieren - einem 35 Millionen Jahre alten Wal, der mit den wellenförmigen Bewegungen eines Aals schwamm. "Wir könnten die Filme als wissenschaftliches Werkzeug benutzen, um mehr über maritimes Leben zu erfahren", sagt Parker.

Oder sie könnten Arbeit leisten. "Das Herz ist eine Maschine; wenn man die Dinge richtig angeht, könnte man diese Fasern für sich arbeiten lassen", sagt Parker. Die Kräfte, die künstliche Muskeln freisetzen, sind vergleichbar mit denen von echten Muskeln, sagt er.

Alternativ, scherzt Parker, könnte man die Filme auch als Fischköder verwenden: "Es ist viel einfacher, einen dünnen muskulären Film auf einen Haken zu spießen als einen Wurm."

Das Herzstück der Sache

Die Vielfalt der Bewegungen, die diese Filme ausführen können, ist beeindruckend, sagt Jonathan Rossiter, der an der University of Bristol im Bereich der Biomimetik forscht. Auch wenn er der Meinung ist, die praktische Anwendung sei noch einige Jahre entfernt, hält er die Filme durchaus für nützlich. "Eine Reihe von Anwendungen wartet nur auf diese Art ‚intelligenten Film', auch wenn einige von ihnen ein wenig nach Science Fiction klingen", sagt er. Dazu gehören beispielsweise mikroskopisch kleine Roboter, die selbstständig durch die Blutgefäße schwimmen und Blockaden auflösen, oder winzige Haare, die pulsieren und so Schleim in den Atemwegen lösen könnten.

In größerem Maßstab stellt Rossiter sich Instrumente vor, die das Herz eines Patienten im Moment eines Herzinfarkts massieren.

Herzmuskelfasern wurden schon früher gezüchtet; die Herausforderung besteht darin, sie zum Funktionieren zu bringen. Eines der Probleme liegt in der Schwierigkeit, die Fasern dazu zu bringen, genauso stark zu kontrahieren und sich genauso gut zu strecken wie echte Muskeln.

Parker träumt davon, ganze Ersatzteile für das Herz zu züchten, indem man die Filme auf die gleiche Art umeinander wickelt wie Muskelfasern in einer Herzkammer. "Wenn sich die dünnen muskulären Filme zusammenziehen, kann man den exakten Biomechanismus des Herzens simulieren", sagt er. "Wir wollen in der Lage sein, unsere eigenen Herzkammern zu bauen."

Literatur: Feinberg, A.W. et al. Science 317, 1366-1370 (2007).

Dieser Artikel wurde erstmals am 6.9.2007 bei news@nature.com veröffentlicht. doi:10.1038/news070903-16. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Katherine Sanderson

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