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Wittstock: Herbstoffensive fürs Bombodrom

Wittstock soll jetzt das Haupttestgelände der Luftwaffe für Auslandseinsätze werden. Leiden die Generäle an Realitätsverlust? Ein Kommentar von Thorsten Metzner.

Angriff, so lautet eine Militärregel, ist die beste Verteidigung. Es muss sich daher niemand wundern, wenn die Bundeswehr plötzlich eine Offensive startet, um den früheren Sowjet-Bombenabwurfplatz bei Wittstock noch einzunehmen. Seit 16 Jahren scheitert das Verteidigungsministerium nun schon am Widerstand einer ganzen Region. Es hat alle Gerichtsverfahren verloren. Der Bundesrechnungshof konstatierte, dass das Bombodrom überflüssig ist, weil nicht einmal die anderen beiden Übungsplätze in Deutschland ausgelastet werden. Die Reaktion: Die Pläne werden ausgeweitet. Wittstock soll nun das Haupttestgelände der Luftwaffe für Auslandseinsätze werden. Leiden die Generäle unter Realitätsverlust?

So sieht es aus, aber so einfach ist es nicht. Die Bundeswehr kann nämlich nur deshalb die Chance wittern, vielleicht doch als Sieger aus dieser Auseinandersetzung hervorzugehen, weil die Kräfteverhältnisse im Bundestag – und der ist nun mal zuständig für Sicherheitspolitik – eben nicht zu ihren Ungunsten stehen. Im Gegenteil. Und sie kann durchaus darauf setzen, dass sie eher mehr zu tun bekommt, wenn der neue US-Präsident Barack Obama verstärkte Militärhilfe der Verbündeten einfordern will. Und damit wird auch die Frage nach dem Ausbildungsstand deutscher Soldaten vernehmbarer zu hören sein.

Und die Gegner des Bombodroms? Es mag ja sein, dass sich die drei „roten“ Länder Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern klar positioniert haben – in der Bundespolitik sind die drei, mit Verlaub, Zwerge. Es mag ja sein, dass es in Brandenburg die größtmögliche Allianz gegen die Pläne überhaupt gibt, von der stärksten, beharrlichsten Bürgerinitiative des Landes „Freie Heide“ bis zur Landesregierung, von der Linkspartei, über die SPD bis zur spät bekehrten Union, deren Nein allerdings sehr verhalten ist. Wo sind die lauten Proteste der neuen CDU-Chefin Johanna Wanka oder der Bundestagsvizefraktionschefin Katherina Reiche bei der Kanzlerin, beim Verteidigungsminister?

Im Bund sieht alles völlig anders aus. Die Union steht hinter dem Ansatz, die Luftwaffe lieber in kaum bevölkerten ostdeutschen Landstrichen trainieren zu lassen. Und die SPD hat sich zwar nach ewigem Hüh und Hott auf dem Hamburger Bundesparteitag gegen Tiefflüge über der Wittstocker Heide ausgesprochen. Aber schon in der Bundestagsfraktion liegen die Dinge nicht so klar. Das erklärt, warum der Petitionsausschuss erst nach Intervention des Willy-Brandt-Hauses bei den SPD-Obleuten einen Pro-Bombodrom-Beschluss vertagte. Eine rühmliche Rolle spielt die SPD nicht. Und das rückt auch ihren Kanzlerkandidaten mit Wahlkreis in Brandenburg, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, in ein diffuses Licht. Er hat sich, was ihn ehrt, offen gegen das Bombodrom ausgesprochen. Nun stellt sich die Frage seiner Durchsetzungskraft gegenüber den eigenen Genossen, vor allem aber gegenüber Kanzlerin Angela Merkel, die er 2009 ablösen will.

Der größte Feind der Bundeswehr, um Wittstock durchzusetzen, steht ohnehin woanders: Es ist das eigene Versagen, die simpelsten Planungsstandards einzuhalten, die in Deutschland gelten, egal ob für neue Chemiefabriken, Autobahnen oder Übungsplätze. Was 16 Jahre versäumt wurde, was alle Gerichte rügten, dürfte sich kaum per Federstrich nachholen lassen, bevor im Bundestagswahljahr 2009 das Brandenburger Oberlandesgericht in dem Fall entscheidet. Es gibt eine andere Militärregel, die eher zum Streit um das Bombodrom passt: Die beste Vorwärtsverteidigung hilft nichts mehr, wenn eine Schlacht verloren ist.

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