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Brandenburg: Würstchenkönig bankrott: Eberswalder Fleischwarenfabrik pleite - 1500 Arbeitsplätze gefährdet

Die traditionsreiche Eberswalder Fleischwarenfabrik mit 640 Beschäftigten steht vor der Schließung. Für das zu den größten Arbeitgebern der Region gehörende Unternehmen wurde der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt, teilte Geschäftsführer Gerhard Thien der Belegschaft mit.

Die traditionsreiche Eberswalder Fleischwarenfabrik mit 640 Beschäftigten steht vor der Schließung. Für das zu den größten Arbeitgebern der Region gehörende Unternehmen wurde der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt, teilte Geschäftsführer Gerhard Thien der Belegschaft mit.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten geht von insgesamt 1500 Arbeitsplätzen aus, die von der Schließung betroffen seien. Zu den unmittelbar betroffenen Beschäftigten kämen weitere im Zweigwerk Fürstenberg in Eisenhüttenstadt sowie Verkaufspersonal in firmeneigenen Geschäften und im Dienstleistungsbereich hinzu.

Der faktische Konkurs des Eberswalder Betriebes kommt nicht überraschend. Wie gestern vor dem Werktor zu hören war, warten die meisten Angestellten seit zwei bis drei Monaten auf den Lohn. "Viele hängen völlig in der Luft und können die Miete nicht mehr bezahlen", sagte ein Mann um die Vierzig. In die Resignation mischte sich aber auch Hoffnung auf ein schnelles Ende der Hängepartie. "Wenn wir offiziell entlassen werden, können wir wenigstens beim Arbeitsamt Unterstützung beantragen", meinte eine Frau. Die Entscheidung liegt allerdings beim Insolvenzverwalter. Nach dem Studium der Bücher und Bilanzen wird er möglicherweise auch die Fortsetzung der Produktion anordnen. "Das wäre dann wie ein reinigendes Gewitter", hieß es vom Betriebsrat.

Nicht gut zu sprechen waren die meisten Beschäftigten gestern auf Firmenchef Gerhard Thien. Der "Würstchenkönig" aus Bayern hatte vor vier Jahren die Betriebe in Eberswalde und Eisenhüttenstadt übernommen und saniert. Anfangs wurden auch schwarze Zahlen geschrieben. In den Regalen fast aller Supermarktketten liegen heute die "Britzer Würste" und anderen Erzeugnisse. Schon zu DDR-Zeiten waren Eberswalder Fleisch- und Wurstwaren überall ein Begriff. Zuletzt gehörte der Betrieb auf der Grünen Woche in Berlin zu den erfolgreichsten Teilnehmern. Neue Produkte fanden reißenden Absatz. Doch offensichtlich gab es Managementfehler in der Führungsetage, anders sind die hohen Verluste kaum zu erklären. Thien selbst sieht sich als "Opfer des ruinösen Preiskampfes in der Lebensmittelbranche", wie er im Rundfunk erklärte. Kein Fleischverarbeiter im Umkreis von 500 Kilometern könne heute noch Gewinn machen.

Gewerkschaftsfunktionär Uwe Ledwig erklärte, die Produkte aus Eberswalde müssten unter dem Herstellungspreis verkauft werden, da sich viele Lebensmitteldiscounter in Ostdeutschland einen harten Konkurrenzkampf lieferen. Auf der Strecke blieben am Ende die Hersteller. In Westdeutschland könnten die gleichen Erzeugnisse drei bis vier Prozent teurer verkauft werden. Der Gewerkschafter forderte ein schnelles Eingreifen der Landesregierung. Bei dieser hohen Zahl von möglichen Entlassungen müsse der Fall zur Chefsache von Wirtschaftsminister Fürniss und Ministerpräsident Stolpe erklärt werden. Die beiden Hausbanken des "Würstchenkönigs" müssten zu neuen Geldspritzen überredet werden.

Gerhard Thien hatte in der Vergangenheit versucht, die Löhne der Beschäftigten zu reduzieren. Nach Streikdrohungen der Gewerkschaft nahm er die Kürzungen jedoch zurück. Eine Schließung des Fleischbetriebes hätte auch Auswirkungen auf die Abwassergebühren in Eberwalde, denn das Unternehmen ist der mit Abstand größte Einleiter in das Klärwerk der Stadt. Höhere Gebühren für die Bürger wären damit unausweichlich.

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