zum Hauptinhalt

Brandenburg: Wurschtigkeit ist nicht erlaubt

Claus-Dieter Steyer

Vor 15 Jahren hatte die Bürgermeisterin von Stölln eine verrückte Idee: Auf dem Hang bei dem Dorf im Westhavelland, wo Otto Lilienthal seine Flugversuche absolvierte und sich schließlich tödlich verletzte, sollte eine große Passagiermaschine Touristen und Brautpaare anlocken. Was unwahrscheinlich klingt, gelang ihr: Die Frau überzeugte die Interflug, die SEDBezirksleitung und vor allem ihr eigenes Dorf von dem Plan – und am 23. Oktober 1989 landete Iljuschin 62 auf einem Acker bei Stölln. Kein Tüv hatte die Landebahn geprüft, keine Naturschützer oder Umweltbeamten hatten die Abholzung von einem Hektar Wald verhindert, und niemand fragte nach dem Geld. Seither kamen mehr als eine halbe Million Neugierige zur „Lady Agnes“, wie die IL 62 in Erinnerung an Lilienthals Ehefrau getauft wurde.

Heute sucht man so einen Pioniergeist in Brandenburg fast vergebens. Die Verhältnisse haben sich gründlich geändert, was damals ging, ist heute nur noch selten möglich. Richtig ist, dass Einfallsreichtum, Pioniergeist und Risikobereitschaft auch durch eine Vielzahl von Regeln und Gesetzen gebremst werden. Doch das gestattet keineswegs eine Wurschtigkeit im Umgang mit den Vorschriften, wie sie im Stölln der Wendezeit noch fröhlich praktiziert wurde.

Das hätte man eigentlich auch an der Europa-Universität Viadrina wissen können. Nun bringt die dort offenbar praktizierte, etwas zu kreative Buchführung die Frankfurter Hochschule in Turbulenzen. Eingenommene Gebühren wurden auf einem Festgeldkonto geparkt, statt wie vorgeschrieben dem Landeshaushalt zugeführt. Ob es sich um eine halbe Million oder 3,7 Millionen Euro handelt, ist dabei nebensächlich. Das Image der Viadrina und ihrer Präsidentin Gesine Schwan ist beschädigt – dabei hätten sie es gerade an einer Brandenburger Universität besser wissen können: Schon 1996 hatte das Sozialministerium illegale Festgeldkonten angelegt, um später auf das Geld nebst Zinsen zurückgreifen zu können. Die Sache wurde bekannt; der Skandal kostete einen Staatssekretär das Amt.

Auf dem Lilienthal-Hügel reichte 1989 Einfallsreichtum noch aus. Der Europa- Uni aber droht ohne Gesetzestreue eine Bruchlandung.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false