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Brandenburg: Zahl der Taten wächst, die Brutalität auch

Neue Studie zu Rechtsextremismus in Potsdam widerspricht dem Innenminister

Rechtsextremismus ist in Potsdam ein „Problem von erheblicher Relevanz“. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Forschungsgruppe Rechtsextremismus an der Universität Potsdam. Demnach existiert in Potsdam seit 1998 eine organisierte rechtsextreme Szene, genannt wurden die „Anti-Antifa Sektion Potsdam“ und die „Freien Kräfte Potsdam“. Der empirische Teil der Studie registriert eine konstant hohe Zahl gewalttätiger Übergriffe, die seit dem Jahr 2000 noch ansteige.

Die Ergebnisse der Studie widersprechen der Aussage von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), in Potsdam gäbe es keine fest gefügte rechtsextremistische Szene. Schon von 2000 bis 2001 war in Potsdam die rechtsterroristische „Nationale Bewegung“ aktiv, auf deren Konto unter anderem der Anschlag auf die Trauerhalle auf dem Jüdischen Friedhof am 7. Januar 2001 ging. Im vergangenen Jahr wurde zwei Studenten überfallen. Einer von ihnen, Támas Blénessy, ist heute selber in der Forschungsgruppe aktiv. Er widersprach gestern während der Präsentation der Studie auch den Aussagen von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) zu dem Überfall auf den Deutschafrikaner von Ostersonntag. Jakobs hatte vom schwersten Übergriff dieser Art seit langem gesprochen. Seit 2003 seien mindestens drei rechtsextremistisch motivierte Übergriffe zu verzeichnen, bei denen Menschen sterben sollten.

Die Studie, von der nun in einem ersten Schritt eine akribisch recherchierte Chronologie rechtsextremistischer Straftaten von 1992 bis 2005 vorgelegt wurde, entstand im Rahmen eines Seminars des Rechtsextremismus-Experten Lars Rensmann vom Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ). Sie kommt auch zu dem Schluss, dass die im vergangenen Jahr wahrgenommene Eskalation der Gewalt empirisch nicht belegbar ist. Wohl aber fand man Belege dafür, dass die Rechtsextremisten in Potsdam immer brutaler vorgingen. Die Hemmschwelle bei Jugendlichen sei „ins Bodenlose gefallen“, sagte Blénessy. Auch würde kaum noch ein Täter später Reue zeigen.

Als Orte, an denen rechte Gewalt vermehrt vorkommt, nennt die Studie den Hauptbahnhof, die Plattenbaugebiete im Süd-Osten, aber eben auch das als alternativ geltende Potsdam-West. Laut Statistik ist die Innenstadt am stärksten betroffen. Die Studie stützt sich auch auf Aussagen des Innenministeriums, nach denen in Potsdam rund 200 Rechtsextremisten aktiv sind, 90 davon als Gewalttäter.

Die Forschungsgruppe warnt auch vor einer neuen Erscheinungsform des Rechtsextremismus, den Autonomen Nationalisten. Äußerlich seien diese kaum von linken Autonomen zu unterscheiden. Diese Gruppe sei undogmatischer als die bisher auftretenden Neonazis und habe eine starke Anziehungskraft auf Jugendliche.

Jan Kixmüller

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