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Ein Arzt misst den Blutdruck einer Patientin.

© dpa

Hermann Gröhes neue Gesundheitsgesetze: Versorgen und vorsorgen

Gesundheitsminister Hermann Gröhe zwei umfangreiche Vorhaben auf den Weg gebracht. Das eine soll die Versorgung verbessern, das andere die Prävention. Doch nicht nur aus der Opposition kommt Kritik.

Es war ein Riesenpacken an Paragrafen, den sich Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) am Mittwoch von seinen Kabinettskollegen absegnen ließ. 194 Seiten umfasst sein „Versorgungsstärkungsgesetz“, mit dem er dem Ärztemangel auf dem Land und den teils überlangen Wartezeiten für gesetzlich Versicherte begegnen will. Und auf 64 weiteren Seiten findet sich unter dem Titel „Präventionsgesetz“ all das aufgelistet, was die Koalition in Sachen Gesundheitsvorsorge in die Wege leiten will. Den Zweck des Ganzen hat Gröhe in weniger Worten auszudrücken vermocht. Es gehe darum, „Krankheiten zu vermeiden, bevor sie überhaupt entstehen“, sagte er. Und: Gute medizinische Versorgung dürfe „auch künftig keine Frage des Wohnorts sein“.

Finanzielle Anreize und bessere Arbeitsbedingungen

In Kraft treten sollen beide Gesetze im Laufe des nächsten Jahres. Doch was kommt im Detail? Um ländliche Regionen für Ärzte wieder attraktiver zu machen, setzt die Koalition vor allem auf zweierlei: mehr finanzielle Anreize und bessere Arbeitsbedingungen. So können Versorgungszentren, in denen Ärzte als Angestellte arbeiten können, künftig auch von Kommunen gegründet werden. Kliniken und Hochschulambulanzen dürfen sich an der ambulanten Versorgung beteiligen. Zur Förderung neuer Versorgungsformen – etwa der Telemedizin – wird ein Innovationsfonds eingerichtet, über den pro Jahr bis zu 300 Millionen Euro fließen können. Und die geförderten Weiterbildungsstellen für Hausärzte werden von 5000 auf mindestens 7500 erhöht. Wer daran teilnimmt, bekommt so viel bezahlt wie Assistenzärzte im Klinikum.

Gleichzeitig soll die Arbeit in überversorgten Gebieten unattraktiver werden. So sollen Arztpraxen dort nur noch nachbesetzt werden können, wenn dies für die Patientenversorgung „sinnvoll“ ist. Die Entscheidung darüber treffen Ärzte und Krankenkassen gemeinsam in den Zulassungsausschüssen vor Ort. Allerdings soll es dabei auch Ausnahmen geben, etwa bei einer Praxisweitergabe an Familienangehörige oder an Partner, die dort schon mindestens drei Jahre arbeiten.

Terminvermittlung für Patienten

Auch für die Patienten soll sich manches zum Besseren wenden. So sind die angekündigten Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen zur Verkürzung von Wartezeiten nun beschlossene Sache. Wer beim Facharzt nicht binnen einer Woche einen Termin bekommt, kann sich an sie wenden – allerdings ohne den Anspruch, bei einem ganz bestimmten Mediziner dranzukommen. Wenn die Wartezeit dennoch vier Wochen überschreitet, muss der Versicherte in einer Klinik ambulant behandelt werden. Die Vermittlungspflicht entfällt nur, wenn es sich um verschiebbare Routineuntersuchungen oder Bagatellerkrankungen handelt. Und für Termine beim Frauen-, Augen- oder Kinderarzt braucht es nicht mal eine Überweisung.

Neu ist auch das Recht für Patienten, sich vor planbaren Eingriffen etwa an Knie oder Hüftgelenk eine unabhängige Zweitmeinung einholen zu dürfen. Für Reha-Leistungen gibt es mehr Wahlrechte. Und Krankengeld fließt künftig schon vom ersten Tag der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit an – und nicht wie bisher erst einen Tag später. Zudem wurde beschlossen, Regressforderungen von Kranken- und Pflegekassen gegenüber Hebammen zu beschränken – eine Reaktion auf die massiv gestiegenen Haftpflichtprämien, die immer mehr freiberufliche Geburtshelferinnen zur Aufgabe zwingen.

Prävention künftig auch in der Pflege

Dann ist da noch das Präventionsgesetz. Es verpflichtet die Krankenkassen, ihre Ausgaben zur Krankheitsvermeidung und Gesundheitsförderung mehr als zu verdoppeln – von derzeit 3,09 Euro auf sieben Euro pro Versichertem. Sie haben dafür dann pro Jahr mindestens 490 Millionen Euro auszugeben. Auch die Pflegekassen müssen sich mit 21 Millionen beteiligen. Und um gefährliche Impflücken zu schließen, müssen die Eltern von Kleinkindern künftig für die Anmeldung in einer Kita eine Impfberatung nachweisen.

Die Opposition kritisiert vor allem Gröhes Präventionsgesetz. Es handle sich dabei um „nichts weiter als ein Placebo“, sagte Kordula Schulz-Asche (Grüne). Mit Arzt-Appellen oder Gesundheitskursen lasse sich kaum jemand zu Verhaltensänderungen bewegen. Die Linkspartei sieht in dem Entwurf „Realitätsverweigerung“.

Kritik auch aus der Koalition

Kritik am Präventionsgesetz gibt es übrigens auch aus der Koalition – und zwar vor allem an dem geplanten Zuschuss von 35 Millionen Euro für Kampagnen der Bundeszentrale für gesundheitliche Bildung. Dafür hätte man nicht Beitrags-, sondern Steuergelder einsetzen müssen, schimpften die SPD-Politikerinnen Hilde Mattheis und Helga Kühn-Mengel. Auch der CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich und Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) monierten, dass Krankenkassenbeiträge für den Aufbau von Verwaltungsstrukturen einer Bundesbehörde verwendet würden. werden.

Grundsätzliche Kritik äußerten die Gewerkschaften. Es sei „das gleiche unverantwortliche Spiel wie bei der Mütterrente“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Die Sozialkassen würden für gesamtgesellschaftliche Kosten geplündert. Die Folge sei, „dass die bestens dastehenden Sozialsysteme mutwillig in eine tiefe Krise regiert werden“. Nach ihrer Rechnung belasten beide Vorhaben samt der ebenfalls geplanten Krankenhausreform die gesetzlichen Kassen und deren Mitglieder bis 2018 jährlich mit 2,3 Milliarden Euro.

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