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Der Senat investiert: Berlin hat wieder Geld, aber immer noch keine Visionen

Nach Jahren des Sparens investiert der Senat mal wieder Geld. Das ist wichtig und richtig. Aber es reicht nicht, denn Berlin braucht mehr als Geld: Eine Vision für die Stadt von morgen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Ide

Dit is Berlin: Immer mehr Menschen kommen in die Stadt, um ihre Träume hier zu leben; auf der Berlinale glitzert gerade die große weite Welt, die sich so sehr ins Träumen von Berlin verliebt hat; und jetzt ist nach einem guten Jahrzehnt des Sparens und Quietschens mal wieder Geld da, um zu investieren und politische Träume umzusetzen. Nur welche?

Dit is Berlin: Die Schulklos sind kaputt, die S-Bahn rumpelt durch ihre tägliche Zeitreise in die Vergangenheit, in den Bürgerämtern bröckeln Putz und Personal – und der Immer-noch-lange-nicht-Flughafen BER kostet weiterhin Zeit und Nerven. Ein Traum ist es wohl schon, dass hier einfach der Alltag der Großstadt funktionieren würde, wieder in Funktion gebracht würde. Das Aufwachen im Berliner Winter des Durchwurschtelns ist jeden Tag aufs Neue hart.

Lässt sich eine Stadt in Gänze fassen, die aus 96 Kleinstädten besteht? Lässt sich ersinnen, wie sie nach einer Zeitreise in die Zukunft aussieht und womit sie mal eigenes Geld verdient? Welche große Geschichte hat Berlin zu bieten außer der großartigen, aber schon etwas alten von der Wiedervereinigung am Brandenburger Tor? Der nicht mehr so neue Regierende Bürgermeister Michael Müller, der Berlin aus Sicht eines Tempelhofers begreift und so Erfolg in den Umfragen hat, sollte die großen Fragen stellen; sich und der vom ihm gern zitierten Stadtgesellschaft.

Was würde der Senat mit vier Milliarden Euro tun?

Und Antworten geben, die über das am Dienstag beschlossene Investitionsprogramm des Senats hinausgehen und über den heutigen Mittwoch hinausreichen. Mehr Geld für Schulen, neue U-Bahnen, Bäder und Flüchtlingscontainer – alles richtig und wichtig, irgendwie. Die 438 Millionen Euro sind gut angelegtes Geld, weil sie auf die Infrastruktur einzahlen, auf die jede Stadt gebaut ist und die in Berlin inzwischen aus Schlaglöchern jeder Art und Größe besteht.

Der Senat verteilt dringend nötige Pflaster für die Schlaglöcher, die die Berliner am meisten schmerzen (ein paar Pflaster für die Koalitionsfraktionen, die das Geld beim Finanzsenator lockergemacht haben, sind auch dabei). Aber die größte Lücke wird damit noch nicht geschlossen: eine Vision für die Stadt von morgen zu entwickeln. Nur aus einem solchen Plan der Träume würde sich ergeben, warum Müller über 2016 hinaus regieren möchte – oder weshalb sein vorsichtiger Vize Frank Henkel von der CDU ihn beerben sollte.

Wofür wollen sie die Macht, wohin wollen sie die Metropole führen? Und nebenbei ließe sich damit endlich begründen, warum die Stadt Olympia will. Doch die Vision ist nicht zu spüren, jetzt, da zum ersten Mal wieder Geld verteilt wird. Ein Rahmen wird vom Senat, der mit Reperaturarbeiten nach Wowereit und innerhalb der Koalition beschäftigt ist, bisher nicht gesetzt. Lieber wird die DDR-Ausflugsgaststätte Eierhäuschen repariert. Was würde der Senat eigentlich tun, wenn er vier Milliarden Euro zur Verfügung hätte? Wüsste er das?

Dit is Berlin: Die Politik verharrt im Kleinen – auch weil sie nach erfolgreichen Volksbegehren Angst vor dem mündigen Bürger hat. Hinzu kommt Angst vor der eigenen Courage, auch vor dem Träumen. Doch wozu ist Macht sonst da als zum Gestalten – gerade in einem Berlin, von dem die ganze Welt gern träumt?

Heute wird Richard von Weizsäcker in Berlin beerdigt – ein großer Politiker, der seiner (wenn auch damals nur halben) Stadt einen Rahmen gegeben hat.

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