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Deutsche Bank: Gefälschte Dokumente, verzweifelte Schuldner

Eine Tochterfirma der Deutschen Bank in den USA verwaltet treuhänderisch zahllose Hypothekenpakete aus der Boomzeit. Nun werden in deren Namen Millionen von Häusern zwangsversteigert. Doch Grundlage sind oft dubiose Papiere.

Wenn Lynn Szymoniak, Juristin in Palm Beach, Florida, auf die Deutsche Bank zu sprechen kommt, dann ist ihre Empörung nicht zu überhören. „Ich werfe der Deutschen Bank vor, mit gefälschten Dokumenten zu arbeiten“, sagt sie und weiß dabei viele tausend Mitstreiter auf ihrer Seite.

Dabei hatte sie niemals erwartet, mit dem deutschen Geldriesen etwas zu tun zu haben. Doch an einem Montagmorgen im Dezember 2009 trat die Deutsche Bank mit aller Macht in ihr Leben. Damals klingelte ein Mitarbeiter des örtlichen Sheriffs an der Tür und überreichte ihr Unterlagen für die bei Gericht beantragte „foreclosure“, die Zwangsräumung und -versteigerung ihres Hauses. Wie zig Millionen andere Amerikaner hatte auch sie eine hohe Hypothek zu variablen Zinsen bei einem örtlichen Finanzinstitut namens „Option One“ aufgenommen und war – nach einem unerwarteten Zinsanstieg – mit den Raten in Rückstand geraten. Doch wer da nun gegen sie klagte, war nicht „Option One“, sondern die Deutsche Bank. Denn ihre Hypothek war Teil einer jener Sammelanleihen geworden, einer Art Pfandbrief. Und für diesen, genauso wie hunderte weiterer solcher Massenverbriefungen von Hypotheken, fungiert die in Kalifornien ansässige „Deutsche Bank National Trust Company“ als Treuhänder.

Das ist eigentlich eine harmlose Dienstleistung. Dabei übernimmt die Bank die Verwaltung der in „Trusts“ zusammengefassten Hypotheken und die Auszahlung der Zins- und Tilgungsleistungen an die Inhaber der zugehörigen Wertpapiere. In diesem Segment der großen US-amerikanischen Immobilien-Geldmaschine war die Deutsche Bank über Jahre der führende Anbieter auch im Auftrag vieler anderer Finanzkonzerne. Doch seitdem die Hauspreisblase platzte und Millionen Amerikaner ihre Hypotheken nicht mehr zahlen konnten oder wollten, werden die zugehörigen Häuser im großen Stil zwangsversteigert, um den Besitzern der Trust-Papiere wenigstens diese Erlöse zu sichern.

Schon 16 Millionen US-Bürger haben dabei ihre Häuser verloren. Und millionenfach begegnete den Betroffenen dabei plötzlich die Deutsche Bank als Eigentümer jener einst von ihnen gezeichneten Hypotheken, der sie nun um ihr Haus bringen will. Denn laut der bei den Gerichten eingereichten Unterlagen agieren die Anwälte der sogenannten „Loan Servicer“, der vor Ort beauftragten Kreditverwaltungsgesellschaften, häufig auch im Namen des Treuhänders Deutsche Bank.

Wie eine Betroffene den Skandal aufdeckte

Genauso war es auch im Fall von Lynn Szymoniak. Allein in ihrem Bezirk Palm Beach wurden in den vergangenen drei Jahren rund 100 000 Häuser zur Zwangsversteigerung angemeldet, zehn Prozent davon im Namen des Treuhänders Deutsche Bank. Pech nur für den deutschen Finanzriesen, dass es beim wilden Weiterverkauf der vielen Hypotheken offenbar drunter und drüber gegangen war und die Übertragung der Grundschulden häufig nicht sauber dokumentiert wurde. Und so machte Szymoniak eine erstaunliche Entdeckung. Als Beweis für den Rechtsanspruch auf ihr Haus diente eine eidesstattliche Erklärung, mit der eine Vizepräsidentin der Firma „American Home Mortgage Service“ namens Linda Green die Übertragung ihrer Hypothek auf einen von der Deutschen Bank verwalteten Trust bescheinigte. Als gelernte Anwältin ging Szymoniak daher beim örtlichen Grundbuchamt der Frage nach, ob das Dokument rechtsgültig war. Dabei erfuhr sie, dass jene Linda Green auch hunderte ähnlicher Erklärungen in anderen Fällen unterzeichnet hatte. Und das gleich als Vizepräsidentin von vielen verschiedenen Banken, auch der „Deutschen Bank National Trust“.

Tatsächlich gab es aber weder dort noch bei den anderen Banken je eine Vizepräsidentin mit diesem Namen. Vielmehr hatte eine Firma aus Georgia namens „DocX“ die Dokumente erstellt und dabei Angestellte mit erfundenen Identitäten im Namen aller möglichen Finanzinstitute entsprechende Erklärungen unterschreiben lassen. „Die Unterschriften waren gefälscht, die notarielle Beglaubigung war gefälscht, die Trust-Information war falsch, es gab überhaupt wenig, was an dem Dokument richtig war“, empört sich Szymoniak. Und das galt nicht nur in ihrem Fall. Angeregt durch Szymoniaks Recherchen begannen auch einige Grundbuchämter mit Prüfungen. So stieß etwa John O’Brien, Amtschef in Essex County bei Boston, allein in seinem kleinen Bezirk auf 32 000 bei Zwangsversteigerungen eingereichte Dokumente, die er für gefälscht hält.

Die Unterschrift von „Linda Green“ fand er in 22 verschiedenen Handschriften. So kam heraus, dass die Methode des alsbald „Robosigning“, Roboterzeichnung, genannten Verfahrens quer durch die USA genutzt wurde, um Dokumente als Legitimation für die Zwangsvollstreckungen zu erstellen. Ein Reporter des US-Senders CBS fand gleich drei frühere Angestellte von DocX, die als „Linda Green“ für zehn Dollar pro Stunde massenhaft Dokumente gezeichnet hatten – ein nach Meinung von Amtsleiter O’Brien untragbarer Vorgang. Dabei habe „die Deutsche Bank das Gleiche gemacht wie alle großen Banken. Die trafen eine bewusste Entscheidung, ein kriminelles Unternehmen zu werden.“ Es sei „schrecklich“ zu sehen, wie „die Leute aus wirtschaftlichen oder gesundheitlichen Gründen ihre Raten nicht zahlen können, und diese Banken ziehen mit gefälschten Dokumenten vor die Gerichte, um ihnen die Häuser wegzunehmen“, sagte er dem WDR. Das sei etwas, „das wir in den Vereinigten Staaten eigentlich nicht tun, aber es geschieht traurigerweise jeden Tag.“

Die Trickser arbeiteten mit anwaltlicher Vollmacht der Bank

Die Deutsche Bank weist die Vorwürfe jedoch zurück. Sie habe „Zwangsvollstreckungen weder veranlasst noch wickelt sie solche ab“, erklärte ein Banksprecher. Gemäß den Verträgen zu den Verbriefungen würden „Loan Servicer“, also Kreditverwaltungsfirmen, und der „Trustee“, der Treuhänder, getrennt voneinander von der Bank eingesetzt, die ursprünglich die zugehörigen Hypothekenanleihen ausgegeben habe. Daher sei nur der jeweilige „Loan Servicer zuständig für die Eintreibung säumiger Zahlungen bis hin zur Beantragung von Zwangsvollstreckungen“. Auch die Gesellschaften, „die in Verbindung mit Robosigning genannt wurden“, seien „ausschließlich von Loan Servicern engagiert und bezahlt worden, nicht vom Trustee“, also der Deutschen Bank. Und „keiner der beiden“ sei „gegenüber dem jeweils anderen weisungsberechtigt“.

Ob diese Argumentation der Bank vor den Gerichten Bestand hat, ist jedoch offen. Immerhin, so stellt die Deutsche Bank selbst in einem Memo vom Oktober 2010 an alle „Loan Servicer“ der von ihr verwalteten Hypotheken-Trusts fest, arbeiten diese mit „anwaltlicher Vollmacht“ der Bank. Und bis heute, so berichtet Szymoniak, würden Anwälte offiziell im Namen der Trustgesellschaft der Deutschen Bank Zwangsvollstreckungen auf Basis falscher Dokumente betreiben. So sei die Behauptung, die Deutsche Bank trage keine Verantwortung, etwa so, „als ob die Regierung sagt, sie sei nicht verantwortlich für die Taten ihrer Armee“. Auch der von Präsident Obama eingesetzte Sonderermittler, der New Yorker Generalstaatsanwalt Eric Schneidermann, ermittelt gegen die Verantwortlichen für die fehlende oder falsche Dokumentation bei Auflage der Hypothekenanleihen. In Gerichtsvorlagen nannte er dabei ausdrücklich auch die Treuhänder. Der juristische Fallout der Hypothekenblase ist für die Deutsche Bank wohl noch lange nicht zu Ende.

Warum die Bilanz des Josef Ackermann nach zehn Jahren an der Spitze der Bank fragwürdig ausfällt, lesen Sie hier.

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