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Steffen Kehrle sucht in seinen Projekten nach Funktionalität und Klarheit, weniger nach einer ausgefallenen Formensprache.

© Sitzfeldt

Design von Steffen Kehrle: Chamäleon

Seine Entwürfe schweben meistens irgendwo zwischen skandinavischer Klarheit und japanischer Präzision. Das zeigt sich auch in Steffen Kehrles Modulsofa „SET“.

Die schönsten Einzelstücke lassen sich oft mit einfachen Mitteln kreieren. Das gilt auch für das neue Sofa „SET“, das Steffen Kehrle für die Berliner Möbelmarke Sitzfeldt entworfen hat. „SET“ ist eine moderne Interpretation des klassischen Modulsofas, die dem Wunsch nach mehr Individualität begegnen soll. „Ich wollte ein Sofa gestalten, das für sich steht und sich mit seinem Besitzer verändern kann“, sagt er. Der 36-Jährige Schwabe hat Industriedesign an der Universität für angewandte Kunst in Wien studiert. Seit dreieinhalb Jahren betreibt er in München sein eigenes Atelier und hat es geschafft, sich bereits national und international einen Namen zu machen. Er arbeitete unter anderem für Marken wie Muji, L'Abbate, Fiat oder Puma.

Steffen Kehrle ist nicht darum bemüht, spektakuläre Objekte zu gestalten. Seine Entwürfe schweben meistens irgendwo zwischen skandinavischer Klarheit und japanischer Präzision. „Ich bin auf der Suche nach dem Punkt im Projekt, weniger nach einer ausgefallenen Formensprache“, sagt er. Die charakteristische Balance aus schlichter Ästhetik, bescheidener Linienführung und praktischer Funktionalität spiegelt sich auch im Design von „SET“ wider. Dabei ist das Konzept gleichermaßen überschaubar wie genial.

Die einzelnen Teile kann man beliebig kombinieren

Das System besteht aus nur vier Grundbauteilen: einer Sitzfläche, einer Rückenlehne mit losem Kissen und einer Armlehne in zwei Größen. Die kompakten, kubisch geformten Elemente lassen sich im Gegensatz zu den meist eher voluminösen Modulen recht schnell überblicken und ganz unkompliziert nach individuellen Bedürfnissen zusammenstellen. Und dieses Sitzmöbel kann so gut wie alles werden: ein einfacher Sessel, eine verspielte Liege, ein geschicktes Ecksofa oder eine üppige Empfangslounge. Ein echtes Interieur-Chamäleon, das sich jeder Wohnsituation anpasst und gleichzeitig den persönlichen Lebensstil ausdrückt. Neben der Form können auch Bezüge und Farben frei ausgewählt werden.

Baukastenprinzip. Das System "SET" für Sitzfeldt besteht aus nur vier Grundbauteilen, die man zu einem immer neuen Ensemble zusammenfügen kann..
Baukastenprinzip. Das System "SET" für Sitzfeldt besteht aus nur vier Grundbauteilen, die man zu einem immer neuen Ensemble zusammenfügen kann..

© Sitzfeldt

Die einzelnen Teile kann man beliebig kombinieren, ohne dabei einen großen Aufwand betreiben zu müssen. Die Idee des Designers war gerade, alles so leicht wie möglich zu arrangieren. Dafür hat er einen intelligenten Befestigungsmechanismus entwickelt. Jede Lehne ist mit zwei L-förmigen Metallplatten versehen. Ein Teil des Metallstücks wird in die Holzplatte eingefräst. Das andere Ende lässt sich dann mit jeweils zwei Inbusschrauben und wenigen Handgriffen unter dem Sitzelement befestigen. Eine passende Löcherkombination verläuft rund um den unteren Rand der Sitzfläche herum.

Ein Spiel mit Proportionen

In Szene gesetzt. "SET" als edle Lederliege.
In Szene gesetzt. "SET" als edle Lederliege.

© Sitzfeldt

Das Design von „SET“ ist zwar einfach, aber nicht banal. „Die Form hat eine gewisse Extravaganz“, meint der Designer. Außerdem stellten gerade klare Formen die größten Herausforderungen dar. „Die Schwierigkeit ist, dass dabei oft der Sitzkomfort auf der Strecke bleibt“. Damit das bei „SET“ nicht passiert, haben Kehrle und seine Mitarbeiter „viel tüfteln und forschen müssen“, bis sie endlich die perfekte Lösung gefunden hatten. Die Sperrholzplatte bei den Lehnen wird mit zwei unterschiedlich harten Schaumstoffarten gepolstert. Der Kaltschaum wird diagonal aufgeschnitten und in Sandwichbauweise zusammengesetzt. Der harte Schaum sorgt hinten für Stabilität und die weiche Oberschicht für Bequemlichkeit. Damit war der Startschuss für die Prototypentwicklung gefallen.

Bis dahin war es aber ein langer Weg. Denn jedes Projekt hat im Atelier Kehrle klare Entwicklungsstadien. Das erste ist immer die Recherchearbeit. „Da wird erst der Markt abgegrast“, erklärt Kehrle. Dabei schaut er auch gerne nach links und rechts und sucht Inspiration in Kunst, Architektur und Mode. „Irgendwann zieht sich dann ein roter Faden durch all die Nachforschungen und ergibt schließlich eine erste Idee für den Modellbau“, den eigentlich spannenden Teil seiner Arbeit. In der Werkstatt wird der Entwurf eins zu eins nachgebaut.

Es geht um Milimeter

„Für das Sofa haben wir Styroporblöcke aus dem Baumarkt geholt und mit Nesselstoff bezogen. Einer meiner Mitarbeiter hat sich sogar das Nähen beigebracht“, schmunzelt Kehrle. Beim Modellbau arbeitet man in seiner Werkstatt nach dem Hands-on Prinzip: Jeder packt mit an. Das lässt Raum für Kreativität. „Ich mag es wenn sich Dinge ergeben, aufeinander folgen, die Details eben“. Sobald der Modellbau steht, geht es in die Prototypenentwicklung, für Kehrle ein Spiel mit Proportionen. „Meistens geht es wirklich um Millimeter“, sagt er.

Nach Lust und Laune. Das Sofa "SET" in einer spannenden Variation.
Nach Lust und Laune. Das Sofa "SET" in einer spannenden Variation.

© Sitzfeldt

Wenn alles perfekt aufeinander abgestimmt scheint, ist der Produzent die letzte Station. Hier gehen Kehrle und sein Team in die letzte Phase der Entwicklung des Möbels. „Es geht um jede kleinste Raffinesse: Sind die Radien und Kanten bei den Bezügen schön verarbeitet? Alles zählt“. Insgesamt hat es gute zwei Jahre gedauert, bis das Sofa dann endlich fertig war. Zeit, die sich Steffen Kehrle gerne nimmt. Doch das war nicht immer so. „Am Anfang hat mich gestört, dass die Prozesse so lange dauern. Ich habe dann immer mal auf die Tube gedrückt“.

Inzwischen wisse er, wie wichtig Zeit für die Sicherheit und vor allem für die nötige Sorgfalt sei. Das Sofa in seiner endgültigen Gestalt steht bei Kehrle am Ende als ein Ergebnis langwieriger Versuche und Experimente. Der Besitzer ist dabei immer ein Teil des Gestaltungsprozesses. Indem er die einzelnen Elemente zu einem immer neuen Ensemble zusammenfügt, baut er eine emotionale Bindung zu seinem Sofa auf.

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