zum Hauptinhalt
Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff.

© dpa

Ex-Bundespräsident vor einem möglichen Prozess: Die Akte Christian Wulff: ziemlich verfahren

Christian Wulff kann strafrechtlich auf nicht schuldig plädieren – politisch war er nicht unschuldig. Einer, der sich wie er im hohen Amt einladen und hofieren ließ, wirkte plötzlich: unseriös.

Eine peinliche Geschichte, schier unendlich. Eine, die Zorn darüber wecken kann. Das ist der Fall Wulff. Der Fall sind monatelange Ermittlungen von knapp zwei Dutzend Mitarbeitern der Staatsanwaltschaft, die 21 Aktenordner füllen. Mit seitenlangen Vermerken zu Vernehmungen im In- und Ausland, von Staats- und anderen Leuten – darunter solchen, die der Ehefrau die Fingernägel gemacht haben, um herauszufinden, ob ihr Mann bestechlich war. Es waren 25 Verdachtspunkte, einer ist übrig geblieben. Und der Verdacht lautet, dass die gewährte Gefälligkeit eines erklärten Freundes im Wert von 400 bis 770 Euro den seinerzeitigen Ministerpräsidenten und späteren Bundespräsidenten korrumpiert hat.

Klage zu führen gegen die Vertreter der Anklage ist das Recht des Beschuldigten; ein Recht, das Christian Wulff noch nicht einmal in Anspruch nimmt. Ermittlungen werden – in Deutschland – geführt, um Ent- wie Belastendes zutage zu fördern, vorurteilsfrei. In diesem Fall sieht der Aufwand unverhältnismäßig aus. Und die Zahl der Berichte nicht nur vor den Ermittlungen, sondern von Ergebnissen der Ermittlungen, die der Geheimhaltung unterliegen sollten, kommt einem Skandal nahe. Das wird noch ein Fall für die Anwälte des früheren Bundespräsidenten.

Denn dass die Anklage zu einer Verurteilung von Wulff führen wird, ist bei Weitem nicht sicher. Die peinlich anmutende Kleinteiligkeit der Anklagebehörde macht auch ihre eigenen Zweifel deutlich. Fast verzweifelt wirken die Ermittlungen. Von wegen ohne Ansehen der Person. Der Chef der niedersächsischen Staatskanzlei, inzwischen SPD-geführt, ist Christian Wulff, dem Christdemokraten, zur Seite getreten. Das war ein kluges Signal. Eines zur rechten Zeit. Es hätte nur erkannt werden müssen.

Aber jetzt geht es weiter, bis einer obsiegt. Wulff hat schon alles verloren, die Ehre will er behalten. Die Ehre, nicht bestechlich gewesen zu sein. Verständlich ist das, richtig auch. Hätte er einem Deal zur Verfahrenseinstellung zugestimmt, wäre es allein rechtlich kein Schuldeingeständnis gewesen, für die Öffentlichkeit dagegen schon. Er hätte Geld bezahlen müssen, viel Geld, um ein Verfahren zu vermeiden. Ein Freispruch erster Klasse sieht anders aus. Es wäre, gefühlt, keiner.

Ja, Christian Wulff hätte das vermeiden können, wenn er früher zurückgetreten wäre. Dann hätte es keine Ermittlungen gegeben. Nun werden die Ergebnisse noch einmal alle ans Licht gebracht, und wenn sie ihn auch nicht als korrupt darstellen werden – sie werden ihn dennoch als Menschen zeigen, dessen Format zu klein für das große Amt war. Die Strafe, die sein Rücktritt für ihn schon war, wird noch einmal ausgesprochen werden. Er kann strafrechtlich auf nicht schuldig plädieren – politisch war er nicht unschuldig. Einer, der sich wie er im hohen Amt einladen und hofieren ließ, wirkte plötzlich: unseriös. Da wird Wulff auch nicht helfen, dass sich die Italiener, Franzosen, Spanier, Griechen, Chinesen angesichts ihrer Fälle wundern werden über die deutschen Juristen.

Doch darüber ist längst geurteilt. Die Monate, die er Bundespräsident war, gehen ohnedies schon unter; die Betrachtung der politischen Persönlichkeit ist einer der privaten Person gewichen. Und Revision ist schwierig.

Das vor Gericht zu verhandeln, wird zu einer anderen Sache. Als ob ein Verfahren noch der Wahrheitsfindung dient. Den Fall eines fehlbaren Menschen aus höchster Höhe, den sieht doch jeder.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false