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Hartz-IV-Sätze: Nun schauen alle auf Karlsruhe

Das Bundessozialgericht in Kassel hat sich am Donnerstag unter anderem mit der Höhe von Hartz-IV-Sätzen befasst. Können Empfänger dieser Leistungen nun auf höhere Bezüge hoffen?

Von Matthias Schlegel

Nein. Denn weder entschied das Gericht in dem konkreten Fall zugunsten der arbeitslosen Klägerin aus dem Rhein-Neckar-Kreis noch machte es künftigen Klägern Mut: Höhe und Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze seien verfassungsgemäß. Die Leistungen seien „nicht in verfassungswidriger Weise festgelegt worden“, sagte Peter Udsching, Vorsitzender Richter des 14. Senats (Az: B 14 AS 153/11 R).

Die Klägerin hatte moniert, dass der seit 2011 geltende Hartz-IV-Satz für Alleinstehende verfassungswidrig niedrig sei, weil er nicht ihr soziokulturelles Existenzminimum decke. Das Jobcenter Rhein-Neckar-Kreis hatte der Frau ab 1. Januar 2011 nur die Regelleistung von monatlich 364 Euro – seit 2012 beträgt der Satz 374 Euro – zuzüglich Unterkunftskosten bewilligt. Die Klägerin rügte, dass der Bedarf von Hartz-IV-Beziehern in den gesetzlichen Bestimmungen „freihändig geschätzt“ und nicht transparent festgelegt worden sei. Während im alten Regelsatz noch 128 Leistungen enthalten waren, seien diese auf jetzt 71 zusammengestrichen worden. Es ergebe sich eine „verfassungswidrige Bedarfsunterdeckung“. Auch die Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent werde nicht berücksichtigt.

Mit dem Kasseler Urteil erhalten all jene einen Dämpfer, die seit langem die Art der Festlegung wie aber vor allem die Höhe der Hartz-IV- Sätze als menschenunwürdig und nicht verfassungsgemäß kritisieren. Seit am 25. April dieses Jahres das Sozialgericht Berlin in einem Aufsehen erregenden Urteil die Leistungen des Sozialgesetzbuches II, also die Hartz-IV-Sätze, als Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums bezeichnet hatte, ruhten die Hoffnungen von vielen unmittelbar Betroffenen wie auch von zahlreichen Sozialverbänden auf dem Bundesverfassungsgericht. Denn das Berliner Gericht hatte wegen der Grundsätzlichkeit dieser Frage Karlsruhe angerufen. Zwar seien die Leistungen „nicht evident unzureichend“, hieß es damals in der Begründung. Doch habe der Gesetzgeber bei der Festlegung des Regelsatzes seinen Gestaltungsspielraum verletzt.

Ehe ein klärendes Wort aus Karlsruhe kommt, kann aber noch viele Zeit vergehen. Derzeit sei „noch nicht absehbar“, wann sich die Verfassungsrichter mit diesem Thema befassen, sagte am Donnerstag eine Gerichtssprecherin dem Tagesspiegel. Die Kasseler Sozialrichter indes nahmen mit ihrem gestrigen Urteil auch schon einmal ihren Berliner Kollegen den Wind aus den Segeln. Die in dem Urteil des Berliner Sozialgerichts enthaltenen Argumente könnten „nicht überzeugen“, beschied das Bundessozialgericht.

Linksparteichefin Katja Kipping bedauerte die Entscheidung. Der Hartz-IV-Regelsatz sei „weder politisch noch fachlich vertretbar, da er die soziokulturelle Teilhabe der Betroffenen nicht garantiert, sondern sie zu einem Leben in Armut verdammt“. Der Ball liege jetzt in Karlsruhe. Das Bundesarbeitsministerium sprach von einem „Plus an Rechtssicherheit“.

In einem zweiten Fall wurde die Klage einer Frau aus dem thüringischen Unstrut-Hainich-Kreis vom Bundessozialgericht als unzulässig verworfen. Sie wollte eine um 20 Cent höhere Hartz-IV-Leistung erstreiten. Das Jobcenter hatte ihr neben den Unterkunftskosten (248,30 Euro) einen Mehrbedarf für werdende Mütter (376,50 Euro) zuerkannt, insgesamt erhielt sie monatlich 624,80 Euro. Sie beklagte, dass die Beträge nicht einzeln gerundet worden seien, wodurch ihr ein Nachteil von 20 Cent entstehe. Der Betrag sei so klein, dass die Klägerin gar kein Rechtsschutzbedürfnis habe, um das Geld vor Gericht erstreiten zu können, befanden die Richter. mit dapd/dpa

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