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Am Arbeitsplatz. Ein Video, das ab Freitag auf youtube öffentlich zugänglich sein wird, zeigt, wie Janis McDavid ohne Arme und Beine arbeitet, Auto fährt, lebt.

© privat

Leben mit Behinderung: Der Mutmacher

Unmögliches möglich machen: Janis McDavid ist ohne Arme und Beine mobil und selbstständig.

Nichts erscheint den meisten Menschen selbstverständlicher als die eigenen Arme und Beine. Was würde man ohne sie tun? Oder anders gefragt: Kann man ohne Arme und Beine überhaupt irgendetwas tun?

Man kann. Autofahren zum Beispiel – 130 000 Kilometer und weiter. Studieren. Ein Auslandssemester in London verbringen. Eine Cola-Flasche aufschrauben und sich das Getränk einschenken. Vor allem: ganz normal arbeiten, einen Computer und eine Maus bedienen, Präsentationen halten, sich im Unternehmen bewegen, Teamsitzungen mitgestalten.

Janis McDavid, 23 Jahre alt, macht es vor. Sein Motto ist: ein Leben führen, das so normal wie möglich ist, und sich durch die Behinderung von nichts abhalten lassen. Der eloquente, gut aussehende Student der Wirtschaftswissenschaften an der Uni Witten/Herdecke ist ohne Arme und Beine geboren worden. Von klein auf hat er gelernt, aus dieser Situation das Beste zu machen. „Meine Eltern haben mich immer ermutigt, so viel wie möglich ohne Hilfsmittel zu erledigen“, erzählt McDavid.

„Mir ist erst im Kindergarten irgendwann bewusst geworden, dass ich anders bin als die anderen Kinder.“ Ganz gezielt hätten ihn seine Eltern nicht auf eine Schule für Körperbehinderte geschickt, sondern auf eine Waldorf-Schule, wo er auch das Abitur gemacht hat. „Ein paar Rampen“ wurden für ihn eingebaut, der Unterricht in Räume gelegt, die für ihn gut erreichbar waren: Mehr war nicht nötig, um ihm das Lernen mit den anderen Kindern zusammen zu ermöglichen.

Das wichtigste Gerät ist aber sein Auto

Dass er heute studieren, reisen, arbeiten kann, verdankt McDavid seinem starken Willen – und ausgefeilten technischen Hilfsmitteln. Sein High-Tech-Rollstuhl etwa lässt sich nach Belieben hoch- und runterfahren – damit kann er seinen Gesprächspartnern stets auf Augenhöhe begegnen, egal ob sie sitzen oder stehen. Das wichtigste Gerät für Janis McDavid ist aber sein Auto, ein Mercedes Sprinter, der von der schwäbischen Firma Paravan so umgebaut wurde, dass er damit problemlos alleine fahren kann.

Die Rampentür geht per Fernbedienung auf, er fährt über die Rampe mit dem Rollstuhl hinein, wuchtet sich allein in den Fahrersitz und kann dort per Joystick das Auto durch den Verkehr steuern und parken. Vor kurzem hat Janis McDavid ein Praktikum bei IBM gemacht, jeden Tag fuhr er eine Stunde von seiner Berliner Wohngemeinschaft bis zum Betrieb.

In dieser Zeit entstand unter Mitwirkung seines Mentors Gerd Kirchhoff ein Video, das Janis McDavid auf der Diversity-Konferenz präsentieren wird und das ab dem 14. November auf Youtube zu sehen sein wird. Es zeigt, wie er im Büro bei IBM arbeitet, in der Kantine mit Kollegen plaudert, in seinem Sprinter fährt, zu Hause ein Buch liest.

"Ich wäre auch irritiert"

Es gibt durchaus Situationen, in denen er Hilfe braucht. Vor allem aber zeigt das beeindruckende Video: Die Technik ist vorhanden, um auch schwerste Behinderungen weitgehend auszugleichen. „Mobilität ist die Grundvoraussetzung für die Teilnahme an der Gesellschaft und am Arbeitsleben“, sagt Janis McDavid. Das sollte allen ermöglicht und in der Haus- und Stadtplanung von vornherein berücksichtigt werden. „Das Ziel einer barrierefreien Umgebung nützt allen, auch alten Menschen und Eltern mit Kinderwagen. Oft sind dafür nur kleine Änderungen nötig.“

Wie schafft er es, so souverän mit seiner Behinderung umzugehen, auch mit irritierten Reaktionen von Menschen, die ihn zum ersten Mal sehen?  „Ich habe mich irgendwann gefragt, wie ich selbst, wenn ich Arme und Beine hätte, auf einen Menschen wie mich reagieren würde“, sagt McDavid. „Und mir wurde klar: Ich wäre auch irritiert. Seitdem gehe ich offensiv damit um.“ Wenn Leute nicht wissen, wie sie ihn begrüßen sollen, ergreift er die Initiative und streckt ihnen seinen Armstumpf entgegen, damit sie wissen: „Man kann mich auch mit Handschlag begrüßen“. Anfängliche Befangenheit verschwindet dann rasch.

Wenige Semester Studium liegen noch vor ihm, dann die Jobsuche. Nach zwei Praktika – eins im Controlling einer Pharma-Firma, eins im Diversity Management bei IBM – weiß er: „Mein Studienschwerpunkt liegt bei Management und Strategie, und in diesem Bereich würde ich später gerne arbeiten. Besonders bei Arbeitgebern, die die Wichtigkeit von Diversity erkannt haben.“ Auch als Motivationsredner tritt er auf. „Menschen, die durch einen Unfall behindert werden, hören von anderen viel zu oft, was sie alles nicht mehr können“, kritisiert McDavid. „Man sollte ihnen viel mehr Mut machen, das auszureizen, was möglich ist.“ Eins ist sicher: Mut machen, das kann er.

Mehr unter www.mc-rolli.de

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