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Der Himmel über Berlin. Im Streit um die neuen Flugrouten traten die Ressentiments, die Ost und West gegeneinander haben, wieder deutlich zu Tage.

© dpa

Berlins Wahlkampf: Seeschlacht um den Luftraum

Bei der Flugrouten-Debatte wird der Spalt zwischen Ost und West wieder breiter. Dabei führt der Kampf Müggelsee gegen Wannsee am Kern der Sache vorbei.

Auch fünfzig Jahre nach dem Bau der Mauer und mehr als zwanzig nach ihrem Fall ist der Luftraum über Berlin noch immer geteilt, in kleine Streifen geschnitten von großspurigen Politikern, die den Leuten das Blaue vom Himmel versprechen und das Schwarze an die Häuserwand malen. Im Kampf um die künftigen Flugrouten über der Stadt hat Ex-Hobby-Pilot Gregor Gysi aus der Kanzel seiner ins Trudeln geratenen Partei einen alten Feind ins Visier genommen. Es geht, wieder einmal, noch einmal, um Ost gegen West, um West gegen Ost, und da in der politischen Atmosphäre Berlins die Grenzen zuweilen so schnell verwischen wie die Kondensstreifen eines Jets, wird der Luftkampf als Seeschlacht inszeniert: Müggelsee gegen Wannsee, Wannsee gegen Müggelsee. Seit die finale Routenplanung für den neuen Flughafen Schönefeld bekannt ist, lautet Gysis Parole: „Die Deutsche Flugsicherung hat deutlich gemacht: Die Menschen und die Landschaften im Osten sind ihr schnurz.“

So sehen das auch viele Menschen, die rund um den Müggelsee im Südosten der Stadt leben. Und da der Luftkampf zur Seeschlacht in der besten Wahlkampfzeit aufgeführt wird, sehen sich nahezu alle Parteien bemüßigt, für jeden da zu sein, für die Anrainer des einen Sees ebenso wie für die des anderen. Und so hört man die CDU-Abgeordnete Margit Görsch sagen, „der Osten wird vernachlässigt, da wohnen auch Menschen!“, und die SPD- Bezirksbürgermeisterin Gabriele Schöttler erklärt: „Es kann nicht sein, dass der Wannsee entlastet wird und der Müggelsee belastet!“. Jetzt wirft der rücksichtslose Westen, so der Refrain des Klageliedes, dem Osten seinen Lärmmüll vor die Tür.

An diese Tür hat nun auch Renate Künast geklopft, bei einer der Montagsdemonstrationen in Friedrichshagen, eigentlich selbstverständlich für die Bürgermeisterkandidatin einer Bürgerprotestpartei. Aber anders als die meisten anderen hat sie nichts versprochen, außer ihre Hilfe bei der Herstellung von Kontakten ins Bundesumweltamt, und ebenfalls anders als fast alle anderen, hat sie auch keine Ost-West-Verschwörungstheorien verbreitet. Doch etwas grünen Honig wollte sie dann doch dort abtropfen lassen, und so erklärte sie, noch nie sei ein Flughafen „so miserabel und intransparent geplant worden wie dieser“, was nicht stimmt, und außerdem, dass der Standort falsch gewählt sei, was eine scheinheilige Dreistigkeit der besonderen Art ist, weil die Grünen aus Naturschutzgründen stets vehement gegen die Alternative Sperenberg waren und die Fertigstellung von Schönefeld geradezu herbeigesehnt haben, um Tempelhof und Tegel schließen zu können. Dass Künast sowohl ein internationales Drehkreuz an diesem Ort als auch Kurzstreckenflüge ablehnt, wird sie in den Ohren der Anwohner zur geeigneten Bürgermeisterkandidatin machen – für den Bezirk Treptow-Köpenick.

Gysi will mehr. Er hofft auf die mobilisierende Wirkung seiner Worte gegen den Westen, auf eine Trotzreaktion, die sich rechnen soll für die Linke, für die einzige echte und ausschließliche Ostpartei. „Über’m Wannsee kein Fluglärm? Schönen Gruß vom Müggelsee“ steht auf ihren Plakaten. Aber Wannsee oder Müggelsee, diese Alternative stellt sich nicht, die Seeschlacht ist ein taktisches Täuschungsmanöver. Über den Müggelsee oder um ihn herum, nur darum kann es noch gehen. Die Deutsche Flugsicherung ist da leidenschaftslos, ein sturer Apparat, fragwürdig abgekoppelt von der Flughafenplanung. Doch die Hinweise der Fluglärmkommission hat sie weitgehend berücksichtigt. In Potsdam und Erkner, in Werder und Stahnsdorf, in Teilen von Teltow und Kleinmachnow, am Schwielowsee, überall dort wird es weniger laut als zunächst befürchtet – und alles das liegt mehr oder weniger im Osten.

Den Müggelsee wollte die Flugsicherung übrigens zunächst nicht unbedingt überfliegen lassen. Erst ein Gutachten, das die Müggelseeroute präferierte, um Nachbargemeinden wie Erkner besser zu schützen, brachte die Wende. In Auftrag gegeben und vorgelegt hat das Papier ein Bezirksstadtrat. Seine Partei: Die Linke.

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