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Politik: Steuerfahnder starten Großrazzia

Ermittler wollen bis Ende der Woche 125 Fälle untersuchen – die Zahl der Selbstanzeigen steigt

Berlin - In der Affäre um massenhafte Steuerflucht nach Liechtenstein haben die Ermittler am Montag mit der angekündigten Großrazzia begonnen. In ganz Deutschland wurden Wohn- und Geschäftshäuser durchsucht, Schwerpunkte waren Villen und Banken in den Großräumen München, Hamburg, Köln, Stuttgart, Frankfurt am Main und Ulm. Insgesamt sind bis Ende der Woche 125 Razzien geplant, Namen verdächtiger Personen wurden bisher nicht genannt.

Das harte Durchgreifen der Steuerfahnder scheint bereits für Panik zu sorgen. „Es rappelt jetzt mit Selbstanzeigen“, sagten Strafverfolger dem „Handelsblatt“. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla übte allerdings Kritik an der vorzeitigen Bekanntgabe der Razzien. Dadurch seien Steuersünder vorgewarnt worden und hätten übers Wochenende noch Maßnahmen ergreifen können.

Unterdessen wächst der Druck auf Liechtenstein. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte an, den Skandal beim Besuch des liechtensteinischen Ministerpräsidenten Otmar Hasler am Mittwoch offiziell zur Sprache zu bringen. Union und Steuergewerkschaft verlangten, Liechtenstein dürfe nicht länger Fluchtburg sein. Es sei „nicht hinnehmbar“, dass das Fürstentum indirekt zum Steuerbetrug anleite, sagte Pofalla. Der Liechtensteiner Regierungschef Otmar Hasler sagte überraschend eine geplante Rede in Berlin über die Zukunft des Europäischen Wirtschaftsraumes für heute ab. Er wolle sich „voll und ganz“ auf die Gespräche mit der Bundesregierung konzentrieren, hieß es.

SPD-Chef Kurt Beck und Finanzminister Peer Steinbrück forderten reguläre Gerichtsverfahren gegen Steuerbetrüger und den Verzicht auf Vereinbarungen, die nur mit Geldbußen enden. SPD wie CDU sprachen sich für die Überprüfung der Höchststrafe von zehn Jahren bei Steuerhinterziehung und der Ausschöpfung des Strafmaßes aus. Eine Politik des „Schwamm drüber“ dürfe es nicht geben, sagte Beck. Die Grünen forderten, künftig auch Banken und Finanzdienstleister für Tipps zur Steuerhinterziehung zur Verantwortung zu ziehen.

Steinbrück sagte, es sei völlig korrekt gewesen, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) den Besitz von Steuerdaten angezeigt habe. „Ich hätte gerne die Welle der Empörung durch die Bundesrepublik Deutschland rasen sehen, wenn wir das nicht gemacht hätten.“ Die Finanzverwaltung des Bundes habe den BND um Amtshilfe gebeten. Zuvor gab es parteiübergreifend Bedenken über die Rechtmäßigkeit der BND-Mithilfe. Am Mittwoch soll das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags informiert werden, das die Arbeit der Geheimdienste überwacht.

Der Deutsche Steuerberaterverband rechnet damit, dass das vom BND gekaufte Belastungsmaterial nicht verwendbar ist. „Ich zweifle daran, dass man geklaute Daten kaufen und danach auswerten darf“, sagte Verbandschef Jürgen Pinne dem Tagesspiegel.

Auch in Berlin wird in der Affäre ermittelt. Es gehe um eine zweistellige Zahl von Fällen, bestätigte die Senatsverwaltung für Finanzen. Der Leiter der Berliner Steuerfahndung, Wolfgang Lübke, sagte, man habe seit einem halben Jahr von den Liechtensteiner Stiftungen gewusst. Er riet Steuersündern, eine Selbstanzeige zu prüfen – „und zwar so schnell wie möglich“.

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