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Brandenburg: Zugverspätung rettete Patrick B. das Leben Rechter Schläger vor Gericht:

Er stieß sein Opfer auf die Gleise

Von Frank Jansen

Potsdam. Dass die Unpünktlichkeit der Bahn einen positiven Effekt haben könnte, geschweige denn ein Leben rettet, erscheint kaum vorstellbar. Doch was sich am 23. März 2003 auf dem Bahnhof Rehbrücke am Rande Potsdams abspielte, endete wohl nur dank einer typischen Zugverspätung nicht in einer tödlichen Tragödie. Der Rechtsextremist Heiko G. hat, das steht für die Potsdamer Staatsanwaltschaft fest, zusammen mit zwei Kumpanen den jungen Linken Patrick B. erst geschlagen, getreten und erpresst. Das war etwa gegen 2 Uhr 20 – und mit den Worten „ab mit dir auf die Gleise“ soll G. das Opfer auf die Schienen gestoßen haben. Um 2 Uhr 24 hätte der Regionalzug Berlin–Belzig in Rehbrücke ankommen sollen. Auf dem Gleis, auf dem der blutende Patrick B. lag. Doch der Zug erschien, das hat der Anwalt des Opfers recherchiert, erst um 2 Uhr 58. Da war B. in Sicherheit und die Polizei schon am Tatort.

Heiko G. muss sich seit gestern vor dem Landgericht Potsdam verantworten. Die Verfahren gegen die mutmaßlichen Mittäter wurden abgetrennt, da sie als weit weniger belastet gelten. Der 27 Jahre alte G. hingegen ist nach Ansicht von Sicherheitsexperten „ein psychopathischer Schlägertyp“. Acht Urteile erwähnt Staatsanwalt Peter Petersen, Richter Heinz-Jörg Tiemann zählt aus einem „ganz schön beeindruckenden Strafregister“ auf: schwere Brandstiftung, Verstoß gegen das Waffengesetz, gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Fahren ohne Fahrerlaubnis. Der Angeklagte selbst, kurzgeschoren und bis zum Schädel tätowiert, berichtet ungerührt von mehreren Jahren Haft. Wie konnte das alles passieren, fragt der Richter. Heiko G.: „Det passiert dann halt irgendwie.“

In der Nacht zum 23. März will G. aber zur Tatzeit gar nicht am Bahnhof Rehbrücke gewesen sein. Das Opfer erinnert sich anders: G. und seine Freunde hätten ihn mit einem Totschläger geprügelt, getreten und ihre Knie ins Gesicht gerammt. Heiko G. habe auch versucht, ihm auf einer Wange eine Zigarette auszudrücken, sagt der schmächtige, punkig frisierte B., den zahlreiche Linke ins Gericht begleitet haben. Der 19-Jährige weiß auch noch, G. habe „Geld, Handy, Zigaretten“ verlangt. „Ich hab’ ihm Zigaretten gegeben“, sagt B., trotzdem sei er von G. auf das Gleis „geschmissen“ worden. Dort gelang es B., per Handy die Polizei zu rufen. Kurz bevor die Beamten eintrafen, zog dann einer der Schläger das Opfer von den Schienen auf den Bahnsteig. Ein Rettungswagen brachte Patrick B. ins Krankenhaus. Die Ärzte diagnostizierten unter anderem einen Nasenbeinbruch, Platzwunden und Prellungen.

Gegen Heiko G. liegt noch ein zweiter Anklagepunkt vor. Die Staatsanwaltschaft sagt, G. habe am 18. Januar 2003 in seiner Wohnung einer Frau eine Bierflasche an den Kopf geworfen. Der Angeklagte meint, ihm sei eine Flasche „ausgerutscht“ – ohne zu treffen. Dass die Frau Verletzungen nahe der Augen erlitt, erklärt G. mit dem Wurf einer Flasche durch einen Bekannten „von hinten“.

Auf der rechten Hand von Heiko G. sind SS-Runen eintätowiert. Staatsanwalt Petersen herrscht ihn an: „Machen Sie den Dreck weg!“ – und leitet ein Ermittlungsverfahren wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ein. Heiko G. klebt in der Pause ein Pflaster über die Runen. Dann setzt er sich wieder in den Gerichtssaal und verschränkt gelassen die Arme.

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