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Brandenburg: Zum Tod von Hedwig Bollhagen: Einfache Kunst für den Alltag, Zeitloses für die Ewigkeit

Die Keramikerin Hedwig Bollhagen ist tot. Die Künstlerin starb am Freitag im Alter von 93 Jahren in Marwitz, teilten die nach ihr benannten HB-Werkstätten für Keramik mit.

Die Keramikerin Hedwig Bollhagen ist tot. Die Künstlerin starb am Freitag im Alter von 93 Jahren in Marwitz, teilten die nach ihr benannten HB-Werkstätten für Keramik mit. Bollhagen erlag einem Herzstillstand, teilte ihre Firma mit. Sie sei ruhig eingeschlafen, sagte eine Sprecherin. Bis vor wenigen Monaten leitete Bollhagen noch selbst ihre 1934 gegründeten Werkstätten und erwarb sich so den Titel als "älteste Unternehmerin Deutschlands".

Wer sie bei ihren zahlreichen Ausstellungen in ganz Brandenburg oder an ihrem Arbeitsplatz traf, erlebte eine bewundernswerte, geistreiche und selbstkritische Frau. Sie mochte keinen Rummel um ihre Person. Viel lieber nahm sich Hedwig Bollhagen den Gesprächspartner zur Seite und diktierte ihm die richtigen Bezeichnungen ihrer vielen Erfindungen. Schließlich sollten der exakte Name zu den Mustern passen und die Farbkombination fehlerfrei in der Zeitung stehen. Lobhudelei konnte sie nicht ausstehen. Ihr Credo war die Vollendung des Einfachen. "Das sind doch alles olle Töppe", sagte sie einmal über die in einer Vitrine aufgereihten Vasen, Teller und Tassen. Sie liebte den Blauton in der Keramik. "Er eignet sich am besten für viele Formen. Das haben schließlich schon die alten Japaner und Chinesen entdeckt." Schlichtes Geschirr mit sparsamen geometrischen Mustern wurde ihr Markenzeichen. HB wurde zur Chiffre für Zeitlosigkeit.

Zu ihrem 90. Geburtstag erhielt die zierliche Frau das Bundesverdienstkreuz. Sie habe in allen Zeiten ihre Unabhängigkeit bewahrt und vielen Menschen Freude gebracht, hieß es damals zur Begründung. Tatsächlich freute sich Hedwig Bollhagen am meisten über Geschichten, wie die Leute an ihre Produkte mit den unverwechselbaren Mustern gekommen waren. Zu DDR-Zeiten waren die begehrten Stücke aus ihrer 1972 zwangsverstaatlichten Werkstatt zumeist nur als "Bückware" zu haben. Ihr Geschirr wurde als Devisenbringer exportiert. Ausgerechnet SED-Chef Walter Ulbricht hatte die Nachfrage unfreiwillig angekurbelt. In den fünfziger Jahren zeigte er keinerlei Begeisterung für ein von Hedwig Bollhagen entworfenes Mokkaservice. Es trug unverkennbar Züge des von der Keramikerin geliebten Bauhausstils. Ulbricht reagierte kopfschüttelnd und kritisierte die Kollektion als zu "formalistisch". Nun war der Name Bollhagen plötzlich in aller Munde und überall gefragt.

Viele Stationen prägten den Lebensweg der in Hannover als Tochter eines Arztes und einer Hausfrau geborenen Hedwig. In den zwanziger Jahren brach sie mit einem bemerkenswerten Ehrgeiz in die damals von Männern dominierte Welt der Keramik auf. In zahlreichen Schulen und Werkstätten erwarb sie ihr Wissen. Zu einem ersten Höhepunkt wurde die Weltausstellung 1937 in Paris, als eine Kollektion eine Goldmedaille erhielt.

Zuletzt war sie nur noch selten in ihren Werkstätten zu sehen. "Es häufen sich in meinem Alter die kleinen Zipperlein", meinte sie vor einigen Monaten. Nach Knochenbrüchen und einer Augenoperation war sie seit Januar ans Bett gefesselt. Bis dahin hatte der tägliche Rundgang durch ihre "Bude" zu ihrem selbst auferlegten Pensum gehört. Aber auch vom Krankenlager aus nahm sie noch Anteil an der Arbeit ihrer HB-Werkstätten. Mitarbeiter zeigten ihr neue Dekore und holten bis zuletzt den Rat der dienstältesten Keramikerin Deutschlands ein.

In ganz Brandenburg löste die Nachricht vom Ableben Hedwig Bollhagens Trauer aus. Kulturministerin Johanna Wanka nannte ihren Tod einen "großen Verlust für Brandenburg". Sie sei bescheiden, bodenständig, kreativ und damit ein Vorbild gewesen.

Die künstlerische Leitung der Werkstätten wird nach eigenen Angaben Heidi Manthey übernehmen. Der Landrat des Kreises Oberhavel, Karl-Heinz Schröter (SPD), würdigte Bollhagen als eine der "bedeutendsten Keramikerinnen des 20. Jahrhunderts". Mit der Aufstellung einer überlebensgroßen Expo-2000-Büste im Technikmuseum Ziegelpark Mildenberg (Oberhavel) sowie mit einer Ausstellung im Oranienburger Kreismuseum seien ihr bleibende Denkmäler gesetzt worden.

Manthey sagte, eine erste öffentliche Trauerfeier solle in Velten oder Marwitz stattfinden, die große Gedenkzeremonie sei in Potsdam geplant. Bollhagen wird Manthey zufolge im Familiengrab in Hannover beigesetzt werden. Die Termine für die Trauerfeiern und die Beerdigung stünden noch nicht fest.

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