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Brandenburg: Zumutungen

Thorsten Metzner über die angeblichen Reformmuffel der Nation ANGEMARKT Die Schlagzeile passt ins öffentliche Bild von Brandenburg, das ja schon „versteppt“, „verblödet“ und „verelendet“. Nun sind die Märker also Deutschlands Reformmuffel.

Thorsten Metzner über die angeblichen Reformmuffel der Nation

ANGEMARKT

Die Schlagzeile passt ins öffentliche Bild von Brandenburg, das ja schon „versteppt“, „verblödet“ und „verelendet“. Nun sind die Märker also Deutschlands Reformmuffel. Wenn es stimmt, was die Allensbacher Meinungsforscher herausfanden, dann werden hierzulande die rotgrünen Rosskuren so stark abgelehnt wie nirgendwo sonst in der Bundesrepublik – nur jeder Zehnte sagt Ja. Woran das liegt? Es geht um Zumutungen. So notwendig die Reformen sind, um Deutschland fit zu machen – sie treffen den Osten besonders hart. In märkischen Regionen, wo jeder Vierte, in Dörfern, wo gar jeder Zweite arbeitslos ist, kann man kaum Verständnis für Kürzungen bei Arbeitslosen- und Sozialhilfe, Renten und Pendlerpauschale oder für Eintrittsgeld beim Arzt erwarten.

Nachvollziehbar auch, dass die Ostdeutschen nach einem Jahrzehnt tiefer Umbrüche „außer Atem“ (Schönbohm) sind. Aber warum ist die Einsicht bei den Sachsen, den Thüringern, ja selbst bei den Mecklenburgern größer, denen es nicht besser geht? Das hat mentale, vor allem aber politische Gründe. Nun sind die Märker, das beschrieb schon Fontane, ein bodenständiger, konservativer, zurückhaltender Menschenschlag. Sie waren noch nie berühmt dafür, besonders aufgeschlossen für Neues, für Veränderungen zu sein. Man erinnere sich an die an ihrem Veto gescheiterte Fusion mit Berlin.

Schwerer wiegt, dass der Reform-Unwillen in der „kleinen DDR“ genährt wurde. Gewiss, die sozialdemokratischen Fürsorger Manfred Stolpe und Regine Hildebrandt wollten die Wende-Grausamkeiten mildern. Sie hielten mit Transfer-Milliarden im Staatssäckel todgeweihte Betriebe am Leben, während Kurt Biedenkopf seine Sachsen auf härteste Opfer und aufs Ärmel-Hochkrempeln einschwor. Es rächt sich heute, aber verwundert nicht, dass in Brandenburg die Erwartungen an den – nun an seine Grenzen stoßenden – Staat höher sind als anderswo. Hinzu kommt der Aderlass eines Jahrzehnts. Das böse Wort von der Verblödung hat ja einen wahren Kern: Wer jung und flexibel ist, der ging und geht allzu oft – nach Bayern, nach Baden-Württemberg.

Und trotzdem, ist vielleicht die Akzeptanz in unpopuläre Notwendigkeiten größer als es eine Umfrage erscheinen lässt? Dafür könnte die radikale Gemeindereform sprechen, die geräuscharm über die Bühne ging. Oder auch der spärliche Widerstand gegen unpopuläre Sparbeschlüsse. Doch zu befürchten ist eher, dass ein anderer Trend wirkt. Man nimmt hin, man fügt sich einem vermeintlich unabwendbaren Schicksal. Beunruhigender als die Reformskepsis der Brandenburger ist diese Lethargie, die Depression, die sich über das so gebeutelte Land legt.

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