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Brandenburg: Zurück zur Natur

Ein Berliner Institut schlägt vor, die Landflucht in Brandenburg mit Prämien zu beschleunigen. Die Parteien sind empört

Potsdam - So geeint präsentieren sich Brandenburger Landespolitiker selten. Parteiübergreifend weisen sie einen Vorschlag zurück, Prämien für Abwanderungswillige zu zahlen, um so ohnehin schon leere Landstriche noch weiter zu entvölkern. Das ist eine Empfehlung in einer Studie des Berlin-Institutes für Bevölkerung und Entwicklung. Die Wissenschaftler versuchen damit, dem Bevölkerungsschwund im Land zu begegnen. „Um die Aufwendungen für die verbleibenden Schwundstandorte so gering wie möglich zu halten, muss das Land versuchen, die Menschen dort, wo kein anderer Impuls möglich ist, zum Abwandern zu bewegen“, heißt es in dem 60-seitigen Gutachten wörtlich. In solchen Gebieten die Infrastruktur aufrechterhalten zu wollen, lohne sich finanziell nicht.

„Die Ergebnisse sind zu eng gefasst und greifen zu kurz“, findet Kerstin Kaiser, die Fraktionsvorsitzende der Linken in Brandenburg. Statt bestimmte Landstriche aufzugeben, sieht sie immer noch „erhebliche Reserven“. An der Studie kritisierte sie weiterhin, dass sie der Brandenburger Verfassung widerspreche. In der sei eine gleichmäßige Entwicklung für alle Landesteile vorgesehen.

Die demografische Entwicklung scheint allerdings unaufhaltsam. So hat das Statistische Bundesamt erst im April eine Studie vorgelegt, nach der die Bevölkerung Brandenburgs bis 2050 von heute mehr als 2,5 Millionen Einwohner auf bis zu 1,79 Millionen schrumpfen wird. SPD-Fraktionschef Günter Baaske will den Zahlen zum Trotz positive Stimmung verbreiten. Mit der „Schwarzmalerei“ müsse „Schluss sein“ fordert er. CDU-Generalsekretär Rolf Hilke findet die Richtung der Studie falsch. „Die Aufgabe der Politik ist es, Regionen lebenswert zu halten“, sagte er.

Kerstin Kaiser findet jedoch auch positive Aspekte an der Untersuchung. Sachsen zum Beispiel habe schon längst eine Kommission zum Thema Abwanderung eingesetzt. Dank der Studie gebe es nun auch in Brandenburg einen Ausgangspunkt für Debatten.

Die vom Brandenburger Landtag in Auftrag gegebene Studie stellte das Berlin-Institut am vergangenen Donnerstag im Hauptausschuss vor. Details aus der nichtöffentlichen Sitzung sickerten danach an die Öffentlichkeit. Der Prämienvorschlag ist nur einer unter vielen. Als Alternative wird in dem Gutachten auch eine Umverteilung der Kompetenzen angeregt. Orte mit Defiziten in der Infrastruktur sollten in Zukunft selbst für deren Finanzierung zuständig sein. So sollen sie diese Defizite direkter und schneller beheben können.

Eine Renaturierung, die schon jetzt durch den Wegzug vieler Einwohner stattfinde, hält Institutsdirektor Reiner Klingholz keineswegs für schlimm. „Die Schweizer sind da bereits weiter und freuen sich, dass Wölfe, Luchse und Bären zurückkommen.“ Als Konsequenz empfiehlt das Gutachten, aus den entleerten Regionen „Naturerlebnisgebiete“ zu machen und so Touristen anzulocken. Klingholz versucht nach den heftigen Reaktionen, die Wogen zu glätten. Die Prämie für den Wegzug sei nur ein kleiner Aspekt. Die Aufregung unter den Politikern kann der Institutsdirektor deshalb nicht verstehen. „Keiner von denen, die jetzt sagen: Wir geben die Regionen nicht auf!, würden da leben wollen“, meint er. Die Studie wird am Donnerstag auf der Institutsseite www.berlin-institut.org veröffentlicht.Meinungsseite

Matthias Jekosch

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