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Paul van Dyk, Grammy-nominiert und AfD-Gegner.

© Manfred Thomas

Berliner Musiker gegen Björn Höcke und Co.: Paul van Dyk verbietet AfD das Abspielen seines Liedes

Zum Song "Wir sind wir" ist AfD-Rechtsausleger Björn Höcke immer wieder in Erfurt aufgetreten. Jetzt hat Komponist Paul van Dyk seinen Anwalt eingeschaltet.

Die Verbindung von Pop und Politik ist eine heikle. Weil Pop schon seit längerem nicht mehr per se gut, aufgeklärt und progressiv ist. Und weil die Politik gerade in Fragen der Inszenierung gleichfalls zu Pop geworden ist, viel gewissenhafter als dieser, Super-Pop gar, und darüberhinaus oft nicht viel mehr zu bieten hat. Dass dazu die Popmusik gehört, einzelne Popstücke, die auf Wahlkampfveranstaltungen zum Einsatz kommen, versteht sich – und dann kann es schon mal zu schweren Missverständnissen kommen. Und hin und wieder zu einer Revolte von Popseite.

So hat jetzt, wie die "Zeit" vorab meldet, der Techno-DJ Paul van Dyk über seinen Anwalt der Alternative für Deutschland (AfD) eine Unterlassungserklärung zukommen lassen, mit der er der rechten Partei „jedwede unberechtigte Nutzung“ seines Stückes „Wir sind wir“ zu verbieten trachtet. Björn Höcke, der Fraktionsvorsitzende der AfD in Thüringen, hatte das Stück, das der Gothic-und-Düster-Pop-Musiker Peter Heppner (Wolfsheim, Goethes Erben, Schiller u.a.) singt und das van Dyk komponiert hat, vergangenes Jahr bei den monatlichen AfD-Kundgebungen auf dem Erfurter Domplatz einspielen lassen, zuletzt auch im Januar dieses Jahres.

Auch Aerosmith und Adele haben Donald Trump das Spielen ihrer Songs untersagt

Das klingt erst einmal korrekt, dass Paul van Dyk sich gegen diese Art der Vereinnahmung durch eine ihm politisch nicht nahestehende Partei wehrt. Es heißt, er sei SPD-Anhänger. Überhaupt steht er mit seinem Songverbotsansinnen in einer langen Reihe von Popmusikern, die sich dagegen zur Wehr setzten, dass ihre Stücke auf Wahlkampfveranstaltungen gespielt werden. Helene Fischer verbot 2015 der NPD das Spielen ihres Superhits „Atemlos“ auf Wahlkampfveranstaltungen.

Die Toten Hosen protestierten 2013 gegen den inflationären Einsatz ihres Stückes „Tage wie diese“ bei Auftritten von gleichermaßen CDU- wie SPD-Politikern; und in den USA schickte zuletzt die Band Aerosmith dem Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, Donald Trump, eine Unterlassungserklärung, weil Trump mit ihrem Stück „Dream On“ auf Stimmenfang ging. Auch Adele und R.E.M. forderten Trump auf, ihre Songs „Rolling In The Deep“, „Skyfall“ (beide von Adele) und „It’s The End Of The World As we Know It“ (R.E.M.) nicht mehr auf Wahlkampfveranstaltungen zu spielen.

Doch wem gehören solche Songs, wenn sie denn einmal in der Welt sind und auf allen medialen Kanälen laufen? Wer kann sich gegen Vereinnahmungen von der falschen Seite schon wehren? Pop in seiner Allgegenwart und seinem Überallsein hat gegen die Politik und ihre Umarmungen nur wenig Chancen. „The Kids are not alright“ hieß der Aufsatz, den Diedrich Diederichsen Anfang der neunziger Jahre schrieb, nicht zuletzt als Reaktion auf die Hooligans, die mit Malcolm-X-Käppis, Public-Enemy- und Dinosaur-jr.-T-Shirts in ostdeutschen Städten Jagd auf Migranten gemacht hatten.

Einer der missverstandensten Songs der Popgeschichte: "Born In The USA"

Man muss daran jetzt wieder denken, weil sich einfache, griffige Pop-Slogans und schmackende Rhythmen beliebig einsetzen und interpretieren lassen. Zum Beispiel Bruce Springsteens „Born In The U.S.A.“, einer der am meisten missverstanden Popsongs der Musikgeschichte, auch von Republikanern oft und gern gesungen, obwohl er von der Kehrseite des amerikanischen Traums erzählt. Oder Neil Youngs „Rockin’ In The Free World“ (wobei Young allerdings hin und wieder Sympathien für Ronald Reagan bekundet hatte).

Und „Wir sind wir“, das passt ja auch immer. Allerdings heißt es in dem Stück unter anderem: „Auferstanden aus Ruinen dachten wir/Wir hätten einen Traum vollbracht./40 Jahre zogen wir an einem Strang./Aus Asche haben wir Gold gemacht“. Und, eine Strophe weiter: „Jetzt ist mal wieder alles anders/Und was vorher war, ist heute nichts mehr wert.“ Das sind verschwiemelte, aber nicht übermäßig kryptische Zeilen. Paul van Dyk hätte sich da nicht so sehr wundern müssen, dass diese gerade der AfD gut ins Politkonzept passen.

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